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Ein Nachruf.

 

„Wir haben uns nicht kennengelernt, wir sind uns aufgezwungen worden.“ 

Das war unser Bonmot, wenn irgendwer mal fragte, woher wir uns eigentlich kennen würden. Zum ersten Mal liefen wir uns bereits vor sechsundsechzig Jahren über den Weg – beziehungsweise: wir wurden getragen…

Ich kann das natürlich nicht selbst bestätigen, doch die Legende geht so, dass unsere Mütter im August 1957 im Krankenhaus im selben Zimmer gelegen haben, als zwei kleine Racker mit acht Tagen Unterschied das Licht der Welt erblickten. Rudi war eher da. 

Das war der – ungeplante – Anfang einer langen Freundschaft, die immer wieder von Zufällen, ungeplanten Treffen, aber auch von tiefem Verständnis geprägt war. 

So trafen wir uns immer wieder; kurz auf der Volksschule, dann liefen wir uns auf der Realschule wieder über den Weg, haben dort viel Blödsinn zusammen gemacht, uns aber auch engagiert – eine gemeinsam erstellte Schülerzeitung von damals habe ich heute noch in meinen Unterlagen. Er hatte selbstverständlich die Gestaltung übernommen und Zeichnungen beigetragen. 

Wir hielten den Kontakt, auch nachdem er ins Rheinland zog, zuerst nach Rheinbach, dann nach Krefeld. Manchmal hörten wir monatelang nichts voneinander (Handys gab’s ja noch nicht), dann wieder waren wir im Sauerland unterwegs zu Konzerten oder einfach nur so, spätnachts, frühmorgens, in Kneipen, auf Bergwanderungen, Fotosessions, endlosen Diskussionen.

Dann wieder ging jeder seinen Weg, aber wenn wir uns trafen, konnten wir eigentlich unser Gespräch immer dort fortsetzen, wo wir vor Ewigkeiten aufgehört hatten, und dann alles durchkauen, was privat, politisch, künstlerisch vorgefallen war, die Weltlage analysieren, Verwandtschaftsdramen und Freundschaftsgeschichten filetieren, Herzschmerz verarbeiten, Fußballergebnisse rekapitulieren oder uns über den neuesten Tratsch kaputtlachen. 

So blieb es immer, zufällig getroffen, kurzfristig verabredet, aber die grundsätzliche Übereinstimmung in vielen Fragen blieb. 

Zuletzt, das ist sicher zwei, drei Jahre her, trafen wir uns hin und wieder in der Düsseldorfer Altstadt. Dann brach der Kontakt ab, keine Verbindung per Handy, keine Adresse, kein nichts. Aber das hatten wir ja früher schon mal, irgendwann würde sich zufällig wieder ein Treffen ergeben. Das hat es dann doch nicht mehr gegeben.

Nun ist Rudi Anfang Oktober von dieser Welt gegangen. Er geht wieder voraus, aber viel, viel zu früh. Er hätte der Welt mit seinen Geschichten, seinen Bildern, seiner Musik noch so viel geben können. Er war Maler (Thadeusz-Schüler), Freidenker, Musiker, Lebenskünstler, Kommunist, Atheist, Sauerländer, stur und wortgewaltig, trinkfest und lebenslustig, nachdenklich und ein echter Freund.

Er war ein alter Zausel, nicht immer einfach – aber ein herzensguter Mensch. Es wäre schön, wenn ihn viele Menschen so positiv im Gedächtnis behalten, wie er wirklich war.

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