Alte-Männer-Hände

 

Diffuses Licht, draußen bereits dämmrig, der Raum nur spärlich mit wenigen Wandlampen beleuchtet. Unruhe, ständiges Kommen und Gehen, neue Gäste, Bewirtung, aufgeregte Kinder, knarrende Rollatoren und schlurfende Jugendliche, kleine Pfauenmännchen mit Blondinenbegleitung, lärmende Familien, schweigende Paare. Geschirrklappern, Besteckklimpern, Türen werden geschlossen und geöffnet und umgekehrt. 

Hagemann nimmt wahr – und auch wieder nicht. Er nippt an seinem Bier. In seinem Kokon ist er nur durch eine millimeterdünne transparente Hülle von der Umgebung abgeschirmt, die niemand außer ihm sehen kann. Er sieht auch die anderen in ihrem Kokon, die sich des Umstandes jedoch nicht bewußt scheinen. Hagemann blickt umher, bemerkt ein Zwicken im Rücken, die Brille müsste auch geputzt werden, die neuen Schuhe sind unbequem. Er greift wieder zum Glas, schaut auf seine Hände. Er schaudert. Alte Männer-Hände.

Nochmal schaudert's ihn. Alte Männer-Hände führen sein Bier an seinen Mund... Altemännerhände. alte. männer. hände... Kleine Haare wachsen dort üppig auf dem Handrücken, die Adern treten blau hervor, Falten, Altersflecken, die Haut scheint mehr und mehr durchsichtig zu werden. Wie Pergament. Im Schritt zwickt eine andere Baustelle.

Alte Männer-Hände. Leichte Beklemmung steigt in Hagemann auf, der Mund ist trocken, leichter Schwindel stellt sich ein. Warum trifft ihn die Erkenntnis gerade jetzt so unvermutet und hart? Hat er nicht seine Geburtstage im Bewusstsein der jeweiligen Jahreszahl gefeiert? Ja klar – körperliche Unzulänglichkeiten haben sich schon über die vergangenen Jahre nach und nach eingestellt. Er hat sie alle mehr oder weniger mit Humor angenommen und als Herausforderung begriffen. Klar, es ist Hagemann bewusst, dass auch er älter wird.  Und trotzdem ist da jetzt gerade dieser eine Moment, in dem er begreift. Dieser eine Moment, in dem er seine Hände anfasst, befühlt, als wenn er sie zum ersten Mal wirklich sehen und fühlen und begreifen würde und dann sind sie da einfach so - alt. Zerbrechlich. Blass. Fleckig. Eine Zumutung, empfindet Hagemann. 

Eine Zumutung sind auch all die anderen Gestalten um ihn herum, denen er gerade jetzt beim Verfall zusehen kann. Wer sehen kann, der sehe, wer begreifen kann, der begreife. 

Hagemann zerschneidet und verspeist das Schnitzel, die Pommes, drei weitere Biere, den Schnaps. Er schaut den Alte-Männer-Händen bei der Verrichtung ihrer Aufgaben zu und ihm schaudert’s erneut. Ihm wird klar: das Endspiel ist eingeläutet. Die dritte Halbzeit. 

Doch die soll möglichst lange laufen, plus Nachspielzeit, das nimmt er sich vor. Plus Verlängerung und Elfmeterschießen. Einfach wird das nicht, mit solchen Alte-Männer-Händen. Hagemann suhlt sich in seiner kleinen depressiven Phase. Er trinkt noch einen Magenbitter, geht zu Bett, träumt und schläft schlecht.

Und dann sieht er morgens den Sonnenaufgang. 

Geht doch. Noch ist nicht aller Tage Abend. 

03-022021

Sächsische/ Ecke Lietzenburger

 

Einsam steht sie an der Hausecke, geduckt, grau, mit Filzstiftschmierereien verunziert. Verlassen. Unbeachtet. Es ist still in ihr. Kaum ein Wort, einen Satz oder ein Gedicht bekommt sie noch zu hören. Das war mal anders. Dabei tobt um sie herum das Leben.  Hunderte Menschen passieren sie jeden Tag, fahren mit ihrem Auto zur Tankstelle ein und aus, tanken, kaufen Brötchen, Zigaretten oder Bier. Die Wenigsten nehmen sie noch wirklich wahr. Viele wissen zwar wie sie heißt, haben sie aber noch nie benutzt. Nur ein paar Ältere erinnern sich noch, wie wichtig sie einmal war. 

Es gab Tausende, sie standen an allen Ecken der Stadt, in Vororten, auf dem Dorf, an der Bushaltestelle. Bei uns war sie gelb, später tauschte sie ihr Kleid gegen ein komisches rot mit grau. Ihre Kolleginnen in anderen Ländern kleideten sich auch in blau oder grau, waren mancherorts mit Schindelhauben verziert, manche mit Butzenscheiben, und einige waren sogar vergoldet.

Sie spielte Haupt- und Nebenrollen in Spielfilmen, Agenten benutzten sie genauso gut wie Tramps oder Vagabunden. Junge Verliebte verabredeten sich in ihr, mit ihr, an ihr. 

In der Regel war sie sehr genügsam, zwei Groschen reichten, um schnelle Absprachen zu treffen. Manchmal war aber auch eine Hosentasche voller Kleingeld notwendig, wenn viel zu erzählen war, wenn die Angebetete weit entfernt wohnte, wenn das Thema schwierig war. Und dabei hat sie soviel gehört in ihrem Leben: Liebesschwüre, Abschiede, Beschimpfungen, Jubel, Flüche, Banales und Wichtiges. Sie war einfach nicht wegzudenken aus dem Leben der Menschen. Bis ein kleines Gerät die Herrschaft übernahm und keine Götter mehr neben sich duldete: das Handy, das Smartphone. Immer und überall bereit, hat es sie abgelöst und überflüssig gemacht - die Telefonzelle. 

Vorbei ist es mit der früheren Herrlichkeit und Unentbehrlichkeit. Es gibt sie und ihre Brüder und Schwestern zwar noch, doch alle gemeinsam fristen sie ein trauriges Schattendasein. Wenn sie überhaupt noch beachtet werden, dann meist als witziges  Accessoire in Gärten oder in Yuppielofts, oder zweckentfremdet und mit Büchern vollgestopft als Tauschbörse. Aber Telefonbücher sind dort keine mehr darunter, auch die benötigt kaum noch jemand, auch die sind vom Aussterben bedroht. 

Also nutzt sie, wenn ihr mal eine seht. Nehmt den Hörer ab, ruft jemanden an und macht eine Freude. Der oder die Angerufene freut sich sicherlich. Und die Telefonzelle freut sich auf jeden Fall auch.

0504-2021

Kapitel 1

Oostduinkerke-an Zee/ Belgien, Dezember

 

Regen rinnt an den Fenstern der Kusttram herunter. Böiger Wind peitscht immer neue Schauerstaffeln heran. Dunkelgraue Wolken hängen tief über Meer, Strand und Land. Die Dämmerung setzt jetzt kurz vor Winteranfang bereits am frühen Nachmittag ein. Ein Tag wie geschaffen für Depressionen. Die Küstenstraßenbahn von Oostende nach De Panne stoppt mit einem Ruck kurz vor der Kreuzung in der Mitte des Badeortes Oostduinkerke-an Zee. Zischend öffnet sich die Tür. Der Mann klappt seinen Mantelkragen hoch, setzt seinen Hut auf, zieht ihn tief in die Stirn. Mit professionellem Blick checkt er blitzschnell die Situation, von links nach rechts die oberen Stockwerke der Häuser gegenüber, weiter huscht der Blick diagonal über die Häuserfront wieder nach links unten, und zurück nach rechts an den Eingängen entlang. Er entspannt sich, nimmt seine Tasche in die Hand, will die drei Stufen aus der Bahn hinuntersteigen um die Straße zu überqueren, hält auf der untersten Stufe inne, als ein PKW die Bahn vorschriftswidrig rechts überholt und an ihm vorbeischießt. Er seufzt. Er ist müde. Seit Tagen hat er kaum geschlafen. Das Gefühl unendlicher Nacht hat ihn umschlungen. Er atmet tief durch und tritt auf die „Albert I-Laan“, stakst drei Schritte über große Pfützen bis auf den Bürgersteig. Dicht an den Gebäuden geht er ein paar Meter in Fahrtrichtung bis zur Ecke des „Astridplein“, wendet sich dort mit einem Blick über die Schulter nach rechts. Der Regen kommt ihm jetzt fast waagerecht vom offenen Meer entgegen. Seinen Hut mit einer Hand festhaltend, in der anderen Hand trägt er seine Tasche. Der Mantel ist komplett durchnässt, er trieft. An der rechten Ecke des Astridpleins, dort wo der „Zeedijk“ auf den Platz trifft, steigt er zwei Stufen hoch, schiebt mit der Schulter die Tür einer Kneipe auf. „t’Zand“ blinkt ihm in bunten Farben entgegen. Schön belgisch bunt denkt er beim Eintreten amüsiert, durchquert den Gastraum an der langen, einladenden Theke vorbei, setzt sich, ohne Mantel und Hut abzulegen an einen der Tische im hinteren, von außen nicht einsehbaren Bereich, stellt die Tasche zwischen seine Füße, atmet noch einmal tief durch. Er spürt die Wärme, die von den Heizkörpern abgestrahlt wird. Ein schwach vernehmbarer Duft nach frittierten Pommes wabert durch den Raum. Musik plätschert unaufdringlich, irgendein aktueller Schlager. Es vergehen ein paar Minuten. Eine Frau ist unauffällig zu ihm herangetreten, spricht ihn an.

„Goden avond, mijn heer!“

Er schreckt kurz auf, schaut ihr in die Augen, nimmt seine Kopfbedeckung ab, schüttelt sich, lächelt.

„Goden avond!" 

„Will U wat bestellen?“

„Een biertje, alstublieft. Een Westvleeteren triple!“

Mit einem tiefen Seufzer schiebt er „Ich brauch jetzt etwas Starkes!“, mehr zu sich selbst, hinterher. Endlich legt er auch den triefnassen Mantel ab und hängt ihn an die Garderobe in der Nähe der Heizung.

Es ist nicht viel los in dem Tearoom, die Bestellung wird prompt ausgeführt, das Bier auf den Tisch gestellt, ein Schälchen mit Erdnüssen hinzugereicht. Er lächelt die nicht mehr ganz junge, aber herrlich blonde Bedienung wiederum an. 

„Dank u well!“ 

Sie lächelt zurück. 

„Alstublieft! Gezondheit!“

Er hebt das Glas an den Mund, nimmt zwei, drei große Schluck Bier, setzt das Glas wieder ab, nimmt ein paar Erdnüsse. Hier war er schon mal. Vor dreißig Jahren. Vielleicht auch vierzig. Er hat sich erinnert. Kaum ein Mensch kann wissen, dass er sich hier auskennt. Er schaut sich um. Alles ruhig. Nichts Verdächtiges. Vor den Scheiben toben sich Sturm und Regen aus, normalerweise kann man von hier aus den breiten Strand überblicken. Doch mittlerweile ist es dunkel geworden. Das Wetter draußen hört man, sieht aber nichts. Wie in einem Kokon, eine kleine, für den Moment auch heile Welt. Jetzt muss ihm nur noch eine Lösung einfallen, wo er heute Nacht schlafen kann, ohne Datenspuren von online booking oder Kreditkartenabrechnung zu hinterlassen. 

„Mag het iets anders zijn?“

Sie hat gerade einen anderen Tisch abgeräumt und kommt auf dem Weg zur Theke wieder an ihm vorbei. Sie schaut ihm in die Augen. Er nickt. Ganz langsam nickt er und seine Augen leuchten auf. Und ob! Das ist DIE Lösung. Er lächelt sie an. Sie bemerkt seine Entspannung, lächelt auch. Der Mann atmet auf. Endlich Ruhe finden. Und sie hat so süße Grübchen.

Es ist Nacht. Die Jagd wird weitergehen. Dies ist nicht das Ende. Aber ein Ruhepunkt im Tunnel. Unruhig dreht er sich unter die warme Decke und sucht ihre Nähe. Immerhin. Eine Nacht.

 

 

Ohne Matte, mit Eis

 

04-032021

 

Arglos das Haus verlassen. Blauer Himmel, Sonnenschein. Homeoffice-Mittagspause draußen. Schritt für Schritt. Straßenseite wechseln, auf die Sonnenseite. Kurz stehen bleiben, Augen schließen, Wärme spüren. Weiter gehen. Vielleicht zur Bank? Zum Bäcker? Immer noch kein Café geöffnet, Brötchen oder Häppchen nur für unterwegs. Wo liegt togo? 

         Schlendern, Zeit vergehen lassen, Schaufenster gucken. Nur gucken, nicht anfassen. Immer noch fast alles geschlossen. Weiter schlendern. Miesepetrigen alten Meckerköppen eine Grimasse schenken. Kindern im vorbeifahrenden Auto die Zunge rausstrecken und dabei lachen. Manche freuen sich und antworten auf gleiche Weise. Frühling macht mutig und unternehmenslustig.

         Ein Schild: geöffnet. Näher herantreten. Der Frisör und seine Frisörinnen. Er grüßt und winkt herein. Termin? Na klar, geht sofort. Dreimonatsmatte abnehmen lassen. Frühling macht leicht und beschwingt. Pausenzeit schon überzogen. Egal. Trotzdem Rückweg. 

                  Kindergeschrei. Von Weitem eine Traube fastgroßer und kleinerer Wilder gesehen. Das muss ein Zeichen sein. Mutig herangetreten.  Die Eisfrau hat geöffnet. Seit gestern. Eine Waffel, zwei Kugeln. Das erste Eis der noch jungen Saison geschleckt. Herrlich. Schmelz auf der Zunge zergehen lassen. Auf dem kleiner Platz tobt das Leben, ein Platz ist noch frei. Augen schließen. Wärme auf der Stirn, Eiskaltes im Mund. Pläne schmieden, weiter schlendern. Corona kann mich mal. Solange es Eis gibt.

 

02-012021

Esmeralda

 

Rusch, rusch, rusch. Unablässig rauschten Autos stadtauswärts an Hagemann vorbei.  Er hörte nicht mehr hin. Zu oft hatte er sich über den überbordenden Autoverkehr aufgeregt, doch das machte ihm schlechte Laune und führte zu nichts. Er wollte einfach laufen, gehen, schlendern.

   Heute früh hatte er seine bequemen Schuhe angezogen, um an seinem freien Tag die Stadt zu Fuß erkunden. Nun wohnte er schon seit einem halben Jahr hier in Krefeld und kannte doch lediglich seine unmittelbare Umgebung, seinen Kiez, sein Veedel, wie man im Rheinland wohl sagte. Der Rest hatte ihn bisher nicht so sehr interessiert. Doch vor ein paar Tagen war das Wetter auf Sommer, Sonne, Draußensein umgesprungen und Hagemann juckte es in den Beinen. Er wollte laufen, gucken, erfahren, erleben - und ließ sich treiben.

   Was war das? Hagemann blieb stehen, staunte und stutzte. Ein mit Planen abgedecktes und zwischen Gerüsten hängendes halbes Boot sah aus wie ein geschlagener Boxer in seiner Ringecke. Hagemann grinste. Er freute sich diebisch über seinen Einfall. Früher, in seinem anderen Leben als Unternehmensberater, hätte er nur Kopfschütteln und hochgezogene Augenbrauen der BWL-verdorbenen Kollegen über seine Einfälle und Wortspielereien geerntet. Doch das Leben zwischen Zahlen und Zombies hatte er hinter sich gelassen, er lebte nun frei heraus und machte sich nichts mehr aus den Bemerkungen irgendwelcher Leute.

Und dieses Ding interessierte ihn nun. Hagemann trat an den Zaun. Die Bootsfarbe war halb abgekratzt, der Steuerstand ohne Dach, der hintere Teil des Bootes fehlte ganz. Vielleicht fünf Meter waren erhalten geblieben, hinten gähnte ein großes Loch und gab den Blick ins Innere frei, aber Innereien waren kaum erkennbar. An der Außenseite hingen große Fetzen des ehemals als Schutzhaut gedachten hellblauen Farbanstrichs herunter, unter der Wasserlinie schien das Boot wohl rot, oder besser rotbraun gewesen zu sein. Wo wohl der Motor gewesen war? Wo war er jetzt, wo die Technik? Nur das Steuerrad hing einsam und verloren in der Kabine herum.

Direkt an einem Autobahnzubringer neben einem heruntergekommen Haus stand dieser, vielleicht, ehemals ganze Stolz seines Besitzers und Kapitäns zwischen alten Autoreifen, Gerümpel und Europaletten. Wo mochte wohl der frühere Einsatzort des kleinen Bootes gewesen sein? Hochseetauglich sah es nicht aus. War es vielleicht in einem Hafen als Transportfahrzeug oder als Schlepper eingesetzt gewesen?  

Hagemann blickte umher. Hinter dem Haus: ausgedehnte Wiesen, Weiden und Felder. In der Ferne ein Waldstück. Vögel kreisten über Haus und Wiesen, allerdings keine Möve, die von Meer oder einem Fluss künden könnte. Auch ein See war meilenweit nicht auf der Landkarte zu finden, soweit Hagemann sich erinnerte. Wie mochte das Boot hierhin gekommen sein? Na klar, auf einem Anhänger oder LKW. Aber warum stellte sich jemand ein altes Boot neben sein Haus? Ein altes, halbes Boot. Oder war das Boot noch komplett erhalten gewesen, als sein Besitzer den Transport organisiert hatte? Und wo war der Rest jetzt? Warum bockte jemand so etwas auf, deckte es notdürftig mit Planen ab und vergaß dann, was er einmal damit anstellen wollte? War das Geld zur Renovierung ausgegangen? War der Kapitän verstorben und die Erben wussten nichts mit der Hinterlassenschaft anzufangen? So mochte das sein. Hagemann nahm seinen sommerlichen Panamahut ab und kratzte sich gedankenverloren am Kopf. 

Vielleicht aber war die Geschichte ganz anders, und dieser unwirtliche Ort war nur eine Zwischenlösung gewesen für denjenigen, der das alte Kajütboot nach einem Unfall erworben hatte. Ein Unfall? Klar, das konnte möglich sein. Vielleicht hatte ein mehr als leicht angetrunkener Bootsführer nach einem unvorsichtigen Rückwärtsfahrmanöver heftige und schmerzvolle Bekanntschaft mit einer Kaimauer gemacht und dabei ein großes Loch in die Bootswand gerissen. Freund Wodka hatte auch nicht mehr helfen können und vielleicht war dann die Lizenz futsch gewesen. Vielleicht. Vielleicht hatte der Ex-Käpt‘n noch mit ein wenig Glück seinen ramponierten ehemaligen Stolz für ein paar Euro verkaufen können. Und vielleicht war so Großvater Erich in den langersehnten Besitz eines Bootes gekommen, um einen Abenteuerspielplatz für seine Enkel und deren Freunde herzurichten. 

Diese Variante gefiel Hagemann besonders gut. Er trat noch etwas näher an den Zaun und stellte sich vor: damit der Rumpf auf den Spielplatz passte, hatte Großvater Erich bestimmt den hinteren Teil einfach abgesägt und den Torso hierhergebracht. Hier im Niemandsland zwischen Stadt und Autobahn konnte geschliffen und gehämmert, gesägt und gestrichen werden. Der schwere Gewittersturm am Wochenende hatte unglücklicherweise die Planen zerfleddert und heruntergerissen. So sah "Esmeralda" wirklich herzzerreißend hinfällig aus, aber bald würde Erich sie wieder ordentlich abdecken und mit seinen Arbeiten weitermachen. Da waren noch viele Stunden zu verrichten, mutmaßte Hagemann, und deshalb würde Opa Erich sich beeilen müssen. Denn der Geburtstag nahte, und Opa Erich würde die großen Augen der kleinen Racker sehen wollen, wenn der LKW mit dem Geschenk vorfahren würde. So musste das sein. Hagemann strahlte, die Geschichte war eigentlich sooo schön.

Oder steckte vielleicht doch noch eine ganz andere Geschichte dahinter? Welche Geschichte war die richtige Geschichte von dem halben Boot, das halb abgedeckt zwischen Gerüsten wie ein geschlagener Boxer in seiner Ringecke hing?

Seinen Gedanken und Mutmaßungen nachhängend zündete sich Hagemann eine seiner geliebten Zigarillos an, verspürte plötzlich Hunger und Durst und Lust auf ein ordentlich gezapftes Bier. Kurz inspizierte er seinen Falk-Stadtplan. In etwa hundert Meter musste ein Weg abzweigen. Irgendwo würde schon eine Kneipe geöffnet sein. Dort würde er weiter nachdenken und herumphantasieren können. Der Tag gefiel ihm immer mehr - er würde das jetzt häufiger machen: herumstromern und Geschichten erfinden.

 

01-012021

Klein, rot und allein an der Mauer

 

Es ist nur eines unter den Vielen, das kleine rote Rad. Namenlos ist es, noch; besitzerlos ist es, im Moment. Auffallend rot, aber einsam. Andere hingegen, vor allem die täglich bei der Fahrt zur Arbeit oder zur Bahn benutzten, werden am Hauptbahnhof  professionell betreut, in einem Parkhaus mit weit über dreitausend Parkplätzen, darunter persönlichen Plätzen mit dem Namen des Mieters, einer Reparaturwerkstatt, einer Mietstation, Beratung, sogar einer Waschanlage! Sichtbar ist nur die Spitze dieses Tempels, der Glaskasten direkt neben dem Bahnhof, unter dem es tief hinunter geht in eine ehemalige unterirdische Passage, in die Eingeweide einer besonderen Welt, einer quirligen Welt ohne Abgase und Hupkonzerte. 

Andere stehen hier in dieser Stadt an jeder Straßenecke, an Mauern gelehnt, an Zäune gebunden, auf den schmalen Gehwegen, vor Kneipen, neben Geschäftseingängen. Zu Tausenden - Fahrräder und Fahrräderinnen. Alle Farben, alle Größen, alle Gangschaltungen,  alle Typen vom Hollandrad bis Mountainbike, von Omas Tiefeinsteiger bis Enkels Carbon-Rennrad. Auch die ganz neuen und schnellen, die mit elektrischer Unterstützung, reihen sich ein in die schier endlosen Reihen aus Alu, Stahl und Kohlenstoff .

Kling, schepper, ratter. Von links und von rechts und von hinten und von vorn. Gemütlich über die Promenade rollend oder laut scheppernd über das innerstädtische Kopfsteinpflaster. Geschäftig sausen Touristen, Schülerinnen, Lehrer, Geschäftsleute, Verwaltungsbeamtinnen oder Nonnen auf ihren Rädern hin und her zwischen wenigen Autos, einigen Bussen, vielen Fußgängern und noch mehr anderen Radfahrerinnen und Radfahrern. Hunderte, tausende Räder bevölkern die Stadt.  

Doch eines fällt sofort ins Auge. Allein an die Mauer der St. Lamberti Kirche gelehnt, steht das kleine rote Rad. Schlicht, aber rot. Ohne viel Schnickschnack. Mit Lampe und Klingel und Gepäckkörbchen. Kein Schloß. Ganz entspannt, wenn denn Fahrräder entspannt sein können, steht es hier in der Sonne und scheint die Wärme der herbstlichen Sonnenstrahlen und das geschäftige Treiben um sich herum zu genießen. Ob die Besitzerin oder der Besitzer auch so ein entspannter Zeitgenosse ist? Und ob er oder sie unendliches Zutrauen hat, dass in dieser bürgerlich gepflegten Stadt das Lieblingsfortbewegungsmittel nicht gestohlen wird?  

Glocken läuten. Der Blick geht hinauf an der zwar erneuerten, aber bereits seit dem 14. Jahrhundert bestehenden Kirche. Der Blick bleibt hängen an den eisernen Gitterkäfigen, in denen im 16. Jahrhundert die Gebeine der exekutierten Anführer der Wiedertäufer, einer fundamentalistisch-christlichen Abspaltung, von den Siegern der Kämpfe hoch an dem Kirchturm ausgestellt wurden. Und die zur Mahnung und Abschreckung vor allzu aufrührerischen Gedanken seitdem dort hängengeblieben sind. Von diesen unruhigen Zeiten kann das kleine rote Rad nichts wissen, ebensowenig wie von der Zerstörung im zweiten Weltkrieg, die fast das gesamte Stadtzentrum betraf.

Gemütlich angelehnt an die warme Sandsteinmauer würde anschließend der Blick des kleinen Rades vielleicht über den Principalmarkt schweifen und hinauf zu den pittoresk anmutenden Giebeln der Geschäftshäuser. Und sie vielleicht schön finden. Ohne zu wissen, dass sie alle nach der Zerstörung des Krieges wiederaufgebaut und den Originalen lediglich nachempfunden wurden.

Das muss das kleine rote Rad an der Mauer von St. Lamberti auch gar nicht wissen, ebensowenig wie den Geschmack von westfälischem Schinken, Mettbrötchen, Pfefferpotthast oder Herrencreme. Von Pils und Altbier ganz zu schweigen.

Das kleine rote Rad darf einfach allein stehen und warten, bis es wieder gebraucht wird. Nach einem Einkauf, für eine Fahrt an den Aasee, für den spätabendlichen Nachhauseweg. Manchmal schnell, manchmal gemütlich, manchmal bepackt, manchmal leise rollend, manchmal scheppernd und klingelnd.

 

Schenken, Du sollst!

07-122020

 

Klaus-Günther schnarchte. Er hatte es sich gemütlich gemacht auf dem Bock der alten Kutsche. Eingekuschelt unter seiner roten Regenjacke und der Wolldecke, drängte er sich in die regen- und windgeschützte Ecke. Seit Tagen war er nun schon unterwegs, zumeist über Wald- und Wiesenwege, immer weiter, ob Regen, Sturm oder Sonnenschein, immer weiter kam er von ganz weit im Osten. Die Stadt war sein Ziel, die eine Stadt, die aus der weiten, mitunter hügligen Landschaft herausragte wie ein Raumschiff.

Klaus-Günther war schon den ganzen Tag müde gewesen. Kurz bevor er wieder eingeschlafen war, hatte er noch noch mit sich gehadert - warum nur hatte er den Job angenommen? Freund Niko hatte bestimmt gewusst, dass die Reise so langatmig und langweilig sein würde, aber wohl aus schlechtem Gewissen verschwiegen. Vor zwei Wochen hatte er angerufen; aufgrund der allgemeinen Coronalage würden einige etatmäßige Fahrer ausfallen und die Organisation suche händeringend Ersatz. Wäre für nen guten Zweck, hatte er noch hinzugefügt - und schwups war Klaus-Günther engagiert gewesen. Nun gut, für einen guten Zweck, um Kinder zu überraschen, da konnte man schon mal auf ein paar Tage Ruhestand verzichten, hatte sich Klaus-Günther noch gedacht. Aber er war jetzt über siebzig, sein Bäuchlein war eher rund als eckig, der weiße Bart sprießte, als würde er dafür bezahlt - und eigentlich hatte er mit den eigenen Kindern doch so seine speziellen Erfahrungen gemacht, und die Enkelkinder gingen ihm schon mal gewaltig auf die Nerven. Warum also in aller Welt... ?

Egal, er hatte zugesagt, war jetzt unterwegs und natürlich würde er auch diese Aufgabe, wie alle, die er im Laufe seines Lebens gestellt bekommen hatte, mit Engagement und Bravour meistern. Wenn die Strecke nur nicht so lang und langweilig wäre. Immerhin hatte Niko das beste Zugtier für ihn engagiert und vor die Kutsche spannen lassen. Ja, das war auch so ein Ding - eigentlich war Schlitten angesagt gewesen. Eigentlich hatte sich Klaus-Günther gefreut, auf einem großen Schlitten lautlos durch winterliche Landschaften zu gleiten und nur aus Spaß hin und wieder mit einem Glöckchen zu bimmeln. Doch auch in diesem Winter war es wieder viel zu warm, der Schnee blieb aus, und so hatte der Stallmeister umgeplant und eine Kutsche für diese Traditionstour flott gemacht. Das rappelte zwar heftig auf Schotterwegen und dem landschaftstypischen Kopfsteinpflaster, aber durch das Geschaukel schlief Klaus-Günther schneller ein. Wie früher, als Kind im Kinderwagen. Und   solange sie nicht über Bundes- und Landstraßen mit diesem elenden Autoverkehr fuhren, konnte Klaus-Günther beruhigt sein Nickerchen machen.  Dachte er. Das Zugtier sei schon lange im Dienst, hatte ihm der Stallmeister noch mit verschwörerischem Lächeln zugeraunt. "Der kennt den Weg!"  .   

Klaus-Günther lag entspannt in seiner Ecke und träumte. Träumte von seinem Sofa, vom Duft seiner Liebsten, vom Bouquet seines Lieblingsrotweins, von der Paella seines  Lieblingsspaniers, von grünem Rasen und zweiundzwanzig Spielern im Lieblingsdress, vom letzten Konzert der Philharmoniker.....

Rumms. Kreisch. Rumpel. Schepper

Stille.

"Was um Himmels Willen?"

Klaus-Günther fluchte, er war vom Sitz gerutscht und hatte sich den Kopf gestoßen. Er rappelte sich auf, stieg vom Bock, zog eine Taschenlampe aus der Tasche und leuchtete die Umgebung ab. Offensichtlich war dies kein "offizieller" Weg, sie standen irgendwo querfeldein auf einer Lichtung zwischen zwei Waldstücken.  Dann sah er die Bescherung: die Kutsche hing seitwärts in einem kleinen Graben fest, die Vorderachse schien gebrochen zu sein.  

"Herrgottsakramentzefix!", fluchte Klaus-Günther. "Wie, verdammter Scheunendreck, kommen wir hier hin, Rudi?"

Der Elch dreht sich um und schaute ihn mit schläfrigen, wässrigen Augen an. Er atmete tief ein und aus, sagte aber nichts.

"Bist Du am heulen, oder was?", regte sich Klaus-Günther auf, ging auf seinen Wegbegleiter zu und versuchte, ihn aus dem verhedderten Geschirr zu befreien. Als er ihn am Kopf packte, stutzte Klaus-Günther, kam näher, roch, grübelte, roch noch mal.

"Jetzt weiß ich auch, warum Du Rudi, das Rentier mit der roten Nase heißt! Du bist ja stockbesoffen!"

Klaus-Günther setzte sich auf einen Stein und schüttelte seinen Kopf. 

"Ich glaub's ja nicht! Hackedicht ist der Kerl. Da hast Du wohl den Weg links liegen lassen und bist mitten durch's Gelände gestapft. Was hast Du Dir dabei gedacht? Heute ist der 23. Dezember und wir haben morgen Abend Termine, du Hornochse! Du, du... mir fehlen die Worte. Ich hab mich auf Dich verlassen. Und jetzt?"

Rudi atmete hörbar aus, zuckte mit den Schultergelenken und legte sich erstmal ins nasse Gras. Er wusste, dass er Scheiß gebaut hatte, als er beim letzten Stop die in der Scheune versteckten Schnapsvorräte des Bauern vertilgt hatte. Er wusste, dass diese Tour eine Bewährungsfahrt für ihn war und versuchte, irgendwie einen klaren Kopf zu bekommen, um die Situation zu retten.

Nach einer Weile stand Klaus-Günther auf, holte sein Smartphone aus dem Rucksack und schaltete es ein.

"Mal schauen, wo wir hier eigentlich sind. Verdammt, natürlich, kein Empfang!"

Er hielt das Handy hoch und lief ein paar Minuten über die freie Fläche zum anderen Ende der Lichtung.

"Hier! Zwei Balken! Gleich hab ich's!", rief er.

Klaus-Günther kam zurück und klopfte Rudi hinter die Ohren.

"Brandenburg. Immerhin, alter Suffkopp. Brandenburg ist schon mal gut. Wir müssen, wenn mein Handy richtig anzeigt, irgendwo in der Nähe des Oberuckersees sein. Dann haben wir Meck-Pomm schon hinter uns gelassen. In die Stadt müssen es, lass mich mal schätzen, noch so hundert, hundertzwanzig Kilometer sein. Also machbar, bis morgen Abend. Wenn wir die Karre wieder flott bekommen. Und Du Dich am Riemen reißt. Aber jede Stunde zählt jetzt."

Klaus-Günther schaute sich mit soregenvoller Miene die Kutsche an.

"Der Karren ist echt voll beladen, dass werden wir wohl erstmal abpacken müssen. Oder hast Du eine andere Idee?"

Rudi, das Rote-Nasen-Rentier, zog vernehmlich Luft durch die Nüstern.

"Not-Dienst!", brummelte er.

"Was hast Du gesagt?"

"Not-Dienst. Nummer liegt unterm Sitzbock."

"Hast Du wohl schon mal gebraucht, was?", murmelte Klaus-Günther und suchte unter der Sitzbank nach der Notrufnummer. Er fand einen befestigten laminierten Zettel mit einer 0800er-Nummer, griff sich das Smartphone und schlenderte wieder zum anderen Ende der Lichtung. Nach ein paar Minuten kam er zurück.

"Da war nur so ein Sprachcomputer. Wartezeit: dreißig Minuten. Da hab ich auf's Band gesprochen. Entweder will man mich hier verarschen, oder die haben wirklich viel zu tun. Scheint ja nicht immer alles so glatt zu laufen mit Weihnachtsgeschenken und so."

Klaus-Günther griff in seinen Rucksack. 

"Auf jeden Fall hab ich Hunger und dann kann ich nicht nachdenken." Er zog einen Ring Salami hervor, holte sein Messer aus der Jackentasche und schnitt sich ein Stück ab. Er kaute gerade auf der zweiten Salamischeibe, als plötzlich ein leises Pfeifen zu hören war. Knapp oberhalb der Baumwipfel tauchte ein Auto-ähnliches Fahrzeug auf, senkte sich herab und landete direkt neben Klaus-Günther, Rudi und der havarierten Kutsche. Die Türen des gelben Fahrzeugs öffneten sich und zwei Gestalten stiegen aus.

"Moin!", knurrte Rudi.

"Klappe! Gesoffen Du hast. Blödsinn Du machst!", schimpfte der kleingewachsene Besucher und kam auf Klaus-Günther zu, dem der Mund offen stehen blieb.

"M...Meister Yoda", stammelte er.

"Richtig Du sagst. Helfen wir kommen. Schenken Du sollst!", erläuterte der Star-Wars-Star und schüttelte Klaus-Günther die Hand. 

"Pech Du hast, Rudi gut sein, aber manchmal saufen er tut!"

"Piep, piep, klingel dödelött",  kam ein metallener Zwerg auf Klaus-Günther zu. 

"Vorstellen ich darf: R2G2, heute Mechaniker er ist," erläuterte Meister Yoda. "Ganz schnell das geht!"

Der kleine glänzende Helfer leuchtete mit seinen roten Lämpchen, rollte zur Unglücksstelle hin und machte sich ans Werk. Eine Stunde später war die Kutsche repariert.

"Jetzt wieder alleine klarkommen ihr müsst", winkten die beiden vom Himmel-Notdienst und stiegen in ihr Fahrzeug. Nein, mitnehmen oder sie ein Stück begleiten dürften sie nicht, das sei gegen die Spielregeln und unter Strafe  verboten. 

"Selber denken Du darfst. Mobilphone Du hast!", rief Meister Yoda noch und zack waren die beiden gelben Engel so schnell verschwunden wie sie gekommen waren. Klaus-Günther schaute zuerst verdutzt hinterher, dann bekam er einen Lachanfall. Er lachte bis ihm die Tränen kamen. 

"Das ist ja so absurd! Wenn ich das irgendwo erzähle, dann bringen sie mich in die Klappse", japste er. "Und wegen diesem Scheiß-Corona kann ich die Story noch nicht mal an der Theke erzählen. Schade, schade!"

Klaus-Günther schaute auf die Uhr.

 "Es ist echt spät geworden. Wir müssten uns verdammt mehr als beeilen, denn wir müssen ja noch quer durch die Stadt bis Wilmersdorf. Das ist nicht mehr zu schaffen - vor allem nicht mit einem alten, beschwipsten Rentier im Geschirr. Du brauchst doch bestimmt erstmal zwei, drei Stunden Schlaf, oder?"

"Na ja, das wäre wirklich nicht schlecht", brummte Rudi. "Aber Du hast doch den elektronischen Wunderkasten dabei, mit Whatsapp und Facebook und Messenger und youtube und so.  Ruf doch nochmal die Himmels-Hotline an, vielleicht haben die dort eine Idee."

"Du bist ja echt nicht so blöd, wie Du manchmal tust", lobte Klaus-Günther und kraulte Rudi unterm Kinn.

"Ok, mach Du die Augen zu, ich bin gleich wieder da."

 

Und so kam es zu dieser Zeit, dass eine Nachricht an alle Geschenke-Empfänger (die Handydaten, Facebook- und und Emailsaccounts waren der Himmel-Hotline natürlich bekannt) verschickt wurde:


         "ACHTUNG-ALERT-ATTENTION!

WEIHNACHTSMANN-ALARM!

Weitere Infos heute Abend

23.12. ab 22.30 Uhr auf dem Youtube-Kanal

oder podcast unter weihnachtsmann-alarm.org!

 

Nach einer kurzen Schlafpause für das berühmteste Rentier aller Zeiten ließ sich Rudi das Geschirr wieder anlegen und zog die Kutsche samt Geschenken und dem jetzt hellwachen Klaus-Günther auf dem Kutschbock noch drei Stunden weiter in Richtung der großen Stadt. Dann schlugen sie ihr Nachtlager auf. Nachdem Klaus-Günther Holz gesammelt, ein stimmungsvolles Lagerfeuer entzündet hatte, Rudi sich malerisch im Hintergrund hinzulegte,  der Mobilempfang getestet und für gut befunden worden war, ging Klaus-Günther auf Sendung. Wie verabredet erklärte er die missliche Lage und dass sie später als zur üblichen Bescherungszeit in die Stadt kommen würden.  Sein Vorschlag, den er zur online-Abstimmung stellte und der mit 95 Prozent befürwortet wurde, hieß: "Wir treffen uns am 24.12. ab 20 Uhr in Viertelstundenabständen auf zentralen Plätzen in der Stadt; dort könnt ihr die Geschenke abholen" (hier folgte eine genaue Liste, damit niemand zu lange von zuhause wegbleiben musste). 

 

Und so kam es zu dieser Zeit, dass kleine Flashmobs überall in der Stadt gesichtet wurden, bei denen Kinder und Erwachsene mit desinfizierten Händen und Mund-Nasen-Bedeckung sich johlend trafen, schnellstens Pakete entführten und dann wieder johlend auseinander liefen. Der Spuk war nach zwei Stunden vorbei  und die Polizei hatte nix gesehen. 

 

Erster Weihnachtstag. Klaus-Günther wachte zuhause gegen zehn Uhr am Vormittag auf, fühlte sich gerädert, als wenn er den ganzen Tag Holz gehackt habe, machte sich einen Kaffee und fragte sich, ob er die Geschichte nur geträumt habe. Ein Schnaufen aus dem Nachbarzimmer und die Frage "Krieg ich auch nen Kaffee?" belehrte ihn jedoch eines besseren. Rudi war aufgestanden und zwängte sich durch die schmale Tür. 

"Anbauen, du musst", lächelte er.

Klaus-Günther stellte ihm einen Eimer Kaffee neben den Tisch, griff zum Telefon und wählte. 

"Hallo Maria, Du glaubst ja nicht, was ich erlebt habe......."

 

Annkathrin und die grünen Monster

06-122020

 

Dunkelheit. Wind. Pfeifen in den Ohren. Blätterrauschen. Metallscheppern. Motorengeräusche. Annkathrin hatte sich weit vorgewagt. Weit weg gewagt, weg von zuhause, weg von der Stadt, raus aus der Stadt. Ohne Ziel hatte sie sich auf den Weg gemacht. War wie im Tunnel gelaufen. Die Kapuze über die Mütze gestülpt wollte sie niemanden sehen, niemanden hören. Zornig hatte sie die Tür hinter sich geschlossen und das Haus verlassen. Zuerst folgte sie dem Straßenverlauf ein paar hundert Meter, bog an einem Platz rechts ab, irgendwann mal nach links, immer spontan, ohne Kompass. Die Straßen waren enger geworden, holpriger, Kopfsteinpflaster, irgendwann war der Untergrund weicher geworden, wahrscheinlich ein Waldweg. Eigentlich wusste sie schon gar nicht mehr, worüber sie sich mit Malte und Lena und Jakob gestritten hatten und warum der Streit eskaliert. Das war jetzt auch egal. Sollten die Idioten doch in ihrem Wahn verrecken. Sollte Corona sie holen, oder der Teufel oder wer auch immer. 

Sie. Hatte. Es. Satt.

Sie hatte einfach keine Kraft und keine Lust mehr mit Leuten zu diskutieren, die die Welt eh nicht kapierten. Leute, die hinter jeder Niederlage ihrer Mannschaft Wettbetrug vermuteten, sich aber Veganer schimpften; die Blumenkohl nicht von Brokkoli unterscheiden konnten, aber Nutella aus politischen Gründen ablehnten; die einer großen Weltverschwörung auf der Spur waren, aber regelmäßig am Ticketautomaten für die S-Bahn scheiterten; die sich ohne Youtube-Video kein Frühstücksei kochen konnten, sich aber am Wochenende Horrorfilme streamten. Dieses Geschwafel machte ihr zunehmend Kopfschmerzen. Und Magenschmerzen. 

"Wenn ich mich noch länger diesem Gedankenmüll aussetze, dann sehe ich auch irgendwann grüne Männchen", schimpfte sie vor sich hin. Also hatte sie für sich den Stecker gezogen und die Mitbewohner (ohne -innen-*Sternchen) in ihrer Blase allein gelassen. Sie musste allein sein.

Annkathrin stolperte. Ein dicker Stein steckte in dem weichen Boden. Sie hatte ihn übersehen, kam kurz ins straucheln,  fing den Sturz aber ab. Sie ging jetzt langsamer, vorsichtiger. Die Dunkelheit nahm zu. Sowohl im Kopf, mit düsteren Gedanken über Sinn und Unsinn und Freundschaft, und wann es genug sei. Als auch um sie herum - der Weg war leicht glänzend vor ihr zu erahnen, doch ehrlich gesagt, sah man die Hand vor den Augen nicht. Das Blut pochte in ihren Ohren.

Und wenn sie jetzt einfach immer weiter gehen würde? Auf's Geratewohl immer weiter, nicht zurückschauen, nicht anrufen, nicht melden. Perso, Fahrkarte und Kreditkarte steckten zusammen mit dem Handy  in der Jackentasche. Alles andere konnte man kaufen. Irgendwann würde doch ein Ort kommen, oder? Dort würde sie in ein Restaurant gehen, lecker essen. Dann in eine Pension oder Hotel. Und morgen weiterlaufen? Weiter fahren? Vielleicht. Sich krankmelden im Job? Irgendwo neu anfangen? Vielleicht.

Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Sie hob den Blick. Vielleicht konnte sie ein Licht am Ende des Tunnels sehen? Annkathrin stutzte und blieb stehen. Sie schloss die Augen, horchte. Weit entfernt: ein Auto, ein Hund. Näher: Rauschen, Wind. Sonst nichts. Sie öffnete die Augen wieder, blinzelte. Sie hatte sich nicht getäuscht. Auf dem Weg vor ihr, vielleicht zehn Meter?, auf etwa halber Körperhöhe, blickten ihr zwei grüne Augen entgegen. Annkathrin wartete. Kleine grüne Augen, wie in einem dieser Splatterfilme. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Was war das, was konnte das sein? Ein Tier? Wie groß? Sie schaute nochmal genauer hin. Wie weit standen denn diese Augen auseinander? Das musste ein verdammt großer Kopf sein. Sie horchte, versuchte langsamer zu atmen, sich zu beruhigen. Die Augen bewegten sich nicht. Starr blickten sie in ihre Richtung. Welches Tier konnte das sein?

 Annkathrin versuchte die Entfernung abzuschätzen, überlegte, wann sie die letzten Straßenlaternen gesehen hatte. Wie weit war das wohl und wie schnell würde sie laufen können? Pfeilschnelle Erkenntnis: Keine Chance. Sie atmete tief ein. Sie musste eine Entscheidung treffen. Ihr fiel der angebissene Apfel in ihrer Jackentasche ein. Langsam zog sie ihn hervor. Mit lauten Schrei warf sie ihn in Richtung der Bestie. Und - nichts. Keine Reaktion. Konnte das sein?

Langsam zog Annkathrin ihr Handy hervor, ließ die beiden grünen Augen dabei aber nicht aus dem Blick und suchte gleichzeitig mit ein paar Wischbewegungen ihrer Finger die Taschenlampenfunktion.

Zack, das Licht blendete auf. Sie hielt das Gerät hoch - nichts passierte. Stille. Sie kniff die Augen zusammen, schemenhaft erkannte sie das Gegenüber.

Annkathrin fluchte. 

"Scheißdreckselektroscooter!"

Seitdem diese Geräte für wohlstandsverwahrloste Yippies und Yuppies auf den Markt und die Straßen gekommen waren, verfluchte sie die Dinger. Überall standen sie herum, auf Gehwegen, in Hauseingängen, vor U-Bahn-Treppen, an Ampeln. Und jetzt eben mitten im Wald. Die grünen Lämpchen der Batterieanzeigen strahlten sie an. Vollkommen sinnlos hier auf dem blätterbedeckten weichen Waldboden. Wie blöde konnte man sein, diese Dinger hier abzustellen. Und damit ihr einen Schrecken einzujagen. Annkathrin hob die Hände und brüllte aus vollem Hals ihren Ärger hinaus.

"AAAHHH!!!!"

Leider hatte sie keinen Hammer dabei, um diese beiden blöden Gestelle dem Gott des Mülls zu opfern. Sie schäumte. Sie schimpfte und sie schimpfte vor allem mit sich und über sich selbst. Wie konnte sie sich von solch intellektuellen Flachwurzlern durch einen sinnlosen Streit in düstere Gedanken treiben lassen? Warum hatte sie das Weite gesucht und nicht diese Luschen zurück zu Papiundmami gejagt? Warum nahm sie sich immer alles so zu Herzen? Das Ergebnis konnte man doch gerade sehen: sie ließ sich im Wald von kleinen grünen Lämpchen einen Heidenschrecken einjagen. So etwas Bescheuertes!

"So, das muss ein Ende haben. Das wird ein Ende haben", stampfte sie mit dem rechten Bein auf den Boden. 

Und da sie eine Freundin schneller Entscheidungen war,  fing sie an zu singen: "Alles hat ein Ende hat,  nur die Wurst hat zwei!" Und dann lachte sie aus vollem Hals.

 "Ab Morgen weht bei Annkathrin ein anderer Wind. Mit diesem Scheiß ist Schluss. Wer seine Synapsen pflegen will, ist willkommen. Mit Gehirnschwurblern geb ich mich nicht mehr ab, die bekommen sowieso schon zu viel Platz: in meinem Leben, in der Zeitung, im TV und was weiß ich sonst noch wo. Der Niveau-Limbo ist zu Ende. Howgh!" 

Theatralisch hob Annkathrin ihre Hand zum Herzen - und musste wieder laut lachen. Gleichzeitig spürte sie ein flaues Gefühl in der Magengegend. Der Schreck war ihr wohl doch etwas auf den Magen geschlagen.

"Aber: Frau baut vor!", murmelte sie vor sich hin, zog mit spöttischem Lächeln einen kleinen metallenen Flachmann aus der Innentasche und nahm einen großen Schluck spanischen Brandys. Sie genoss die Wärme, die der feurige Carlos in ihrem Magen verbreitete, atmete tief durch und verspürte plötzlich: Hunger. Hunger auf ein richtiges Steak mit allem pipapo. Den Rest von Carlos würde sie als Digestiv nehmen und die Flachfrau heute Abend im Hotel nachfüllen lassen für den morgigen Weg. Sie würde ihrem Leben eine neue Wendung gegen und dann würde das Leben doch so schööö  - äähh. Sie stutzte. 

"Drecksverfluchtes Coronazeugs!"

Klar, Hotels und Restaurants konnte sie sich abschminken, von der Backe putzen, die hatten alle geschlossen wegen dieser Sch...seuche. 

Die junge Frau fluchte noch einmal laut und derbe wie das ein Kesselflicker in früheren Zeiten getan hätte, schämte sich nicht dafür sondern seufzte kurz und heftig. Gut, sie würde sich jetzt auf den Rückweg machen, und würde wohl doch noch einige weitere Tage mit den Knallköppen unter einem Dach verbringen. Aber nicht mehr lange. Die Entscheidung war gefallen. Sie würde ihr Leben auf den Kopf stellen und neu anfangen.

Auf keinen Fall sollten die Mitbewohner versuchen, sie noch einmal anzulabern. Schon gar nicht mehr an diesem  Abend, dann würde sie zwei grüne Augen bekommen und zehn Zentner schwer werden. Und wenn dann noch Carlos mitmischen würde,... ach nein, die Pappnasen würde sie auch ohne prozentuale spanische Unterstützung intellektuell unterm Arm verhungern lassen können.

Annkathrin freute sich wie ein Kullerkeks, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte, dass sie sie selbst getroffen hatte und dass sie jetzt ihrem Leben eine neue Richtung geben würde. 

Als sie sich umdrehte, hörte sie hinter sich ein leises Knurren und Schnauben. Sie wunderte sich kurz,  beschleunigte aber ihre Schritte, überlegte gleichzeitig, wo der nächste Supermarkt sein könnte, und stellte im Kopf schon mal den Einkaufszettel zusammen: Entrecote 300 Gramm, zwei Flaschen Rotwein. Ein wenig frisches Gemüse?? Mal schauen, vielleicht. Wie mache ich die Soße? Pommes?

Sie tanzte und sang vor sich hin. Sie war zufrieden, dann sie ließ sich nicht mehr treiben sondern entschied selbst, was sie wollte.

Zwei Männer standen rauchend auf der Terrasse eines Hauses und sahen eine junge Frau nach, die aus der tiefen Dunkelheit des Waldes auf dem Weg in die hellerleuchtete Stadt schlendernd leise vor sich hin trällerte: "Always look on the bright side of life!!" 

"Siehst Du was ich sehe? Hörst Du was ich höre?"

"Jo", entgegnete der andere. "Aber ich frage Dich: ist denn schon wieder Karneval?"

 

 

Willem, Leentje und ein Zebra

 05-122020

 

Grau in grau präsentierte sich der niederländische Himmel typisch und nicht gerade in Bestform. Leichter Nieselregen tröpfelte auf Regencape und Brille. Immerhin hatte am Morgen das Thermometer bereits die Zehn-Grad-Grenze überschritten und marschierte jetzt strack auf sagenhafte vierzehn Wärmegrade zu.

Willem van Eyck und seine herzallerliebste Frau Leentje de Bolder schoben ihre Räder von der kleinen Fähre und mühten sich den, mit dicken unbehauenen Pflastersteinen ausgelegten, steilen Weg hinauf. Oben auf dem Deich blieben sie kurz stehen und schauten sich um. Der Rhein lag jetzt hinter ihnen, das deutscheste alle Gewässer, Vater Rhein - warum auch immer der Fluss so genannt wurde. Hier oben auf dem ersten Deich, direkt an der Grenze, lag ihnen ihr ehemaliges Königreich, das Königreich der Niederlande, zu Füßen. So sollte das ewig sein, das Land zu Füßen und den Kopf im nassen Wind.

 Willem und Leentje stiegen auf ihre Elektro-Bikes, und während Leentje wie immer voran fuhr und die Richtung wies, trödelte Willem - wie immer - hinterher. Sollte sie doch so weitermachen wie sie es in den vergangenen vierzig Jahren getan hatte: den Ton angeben wollen und sich als Wegweiserin wohlfühlen. Willem interessierte solches Machtgehabe nicht mehr. Ihn interessierte eher alles was er so links und rechts der holprigen schmalen Wege sehen konnte: Blumen, Vögel, Pfützen, Bäume, Kühe, Pferde...

Willem blickte auf - der entgegenkommende Lastwagen zwang ihn kurz, dem Überleben die Aufmerksamkeit zuzuwenden... bevor er sich wieder ins Leben treiben lassen konnte. Hoch oben am Himmel hinter den Wolken war ein Flugzeug zu hören, dort links, etwa hundert Meter entfernt, tuckerte ein Schiff durch den schmalen Kanal in Richtung Meer, rechts erhob sich ein Habicht mit Beute in den Klauen von der Wiese in die Lüfte. So könnte es für ihn immer weitergehen. Willem lächelte und freute sich über seinen kleinen alltäglichen Eindrücke, die ihm während der meisten Zeit des Lebens verwehrt geblieben waren, da die Pflichterfüllung des Staatsamtes ihn doch sehr in Anspruch genommen hatte.

Willem van Eyck registrierte, dass er allein unterwegs war. Er sah Leentje nicht mehr. Wahrscheinlich war sie bereits im nächsten Dorf und erwarb, wie immer auf solchen Touren, mehr oder weniger notwendige Kleinigkeiten. Nicht, weil sie sie benötigten, alles notwendige wurde ihnen tagtäglich von dienstbeflissenen Händen gestellt und zugereicht. Nein, sie wollte gesehen werden, erkannt und gehuldigt werden und Schwätzchen halten. Vielleicht stand sie aber auch gerade an der Abbiegespur der nahen Landstraße, um mal wieder einem dort zufällig anhaltenden Autofahrer die Leviten zu lesen, wie unvernünftig Autofahren doch sei. Das war mittlerweile eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen seit sie im Ruhestand war und das Ökodingsbums entdeckt hatte.

Willem kümmerte sich nicht mehr drum, sollte sie doch so weit voraus fahren, wie sie wollte; sollte sie doch ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ausleben. Er brauchte das nicht, hielt an und setzte sich auf eine Bank, die zwar noch feucht vom Regen der Nacht war, doch wie gerufen einfach in der Gegend herum stand. Wenn er schon allein fahren musste, dann konnte er sich auch einen nicht alltäglichen Genuss gönnen - und zog eine Selbstgedrehte aus dem inneren Fach seiner Lodenjacke. Selbstgedreht und mit dem würzigen Inhalt, den ihm sein Enkel vorgestern, kurz vor der Abfahrt zu dieser kleinen Radtour, zugesteckt hatte. Das Feuerzeug hatte Willem ganz unten in seinem Rucksack versteckt. Leentje wäre stinksauer, wenn sie ihn erwischen würde. Von wegen Gesundheit und so. Willem kicherte.

Ratsch, ratsch. Die Flamme loderte kurz auf, Willem sog die Luft ein, das vordere Ende der Selbstgedrehten glom kräftig rot. Er inhalierte vorsichtig, hustete leicht, zog wieder an dem Joint und schloss die Augen. Eine Wärme, eine tiefe Zufriedenheit durchströmte ihn. Er hatte das Gefühl, dass alle Spannung von ihm abfiel. Er lächelte, stellte sich Leentjes Gesicht vor, wenn Sie ihn jetzt so vorfinden würde. Er zog und inhalierte tief und fühlte kaum noch die Nässe der Bank an seiner Hose. Wieder musste er an seine Ex-Regentin denken, die immer so vorbildlich war und vor allem beflissen, im Leben möglichst alles richtig und nichts falsch zu machen. Und da platzte es aus ihm heraus - er lachte aus vollem Hals: Leentje, ihr Gehabe, das ganze Leben, alles kam ihm äußerst albern vor. Er lachte und lachte und lachte bis ihm die Tränen kamen.

Irgendwann hatte er sich beruhigt und blieb einige Minuten regungslos sitzen. Er wartete. Auf was er wartete, wusste er auch nicht. Aber er ahnte, dass er nicht zu lange hier allein sitzen bleiben durfte, irgendwann würde er Leentje folgen müssen. Ein tiefer Zug noch, dann würde er aufbrechen. Wieder überkam ihn ein Lachanfall - die mittlerweile nur noch spärlich fallenden Regentropfen kitzelten auf seiner Nase.

Willem stand auf, löschte die Glut des Joints, den Rest steckte er sich in die Jackentasche, nahm das Rad, und mit Anlauf und unter lautem Gejohle sprang er auf den Sattel und sprintete los. Nach ein paar Minuten schlängelte sich der Radweg durch halbhohe Vegetation aus Büschen und kleinen Bäumen. Hinter der nächsten Kurve war ein prächtiges Wohnhaus etwas abseits des Weges zu erkennen, das schon von Weitem das Geltungsbedürfnis seiner Besitzer deutlich machte: ein Haus, das nach Geld stank und mit dem jemand angeben wollte. Sei's drum, Willem lachte und trat kräftiger in die Pedale.

Das Haus lag inmitten einer offensichtlich mehrere Hektar großen Koppel, begrenzt mit einem Zaun aus weißen Brettern und Pfosten; mehrere Stallgebäude waren auf dem Grundstück verteilt. Willem näherte sich mit kräftigen Pedaltritten und bester Laune und hielt Ausschau - nach seiner Ex-Regentenfrau, nach Menschen und Tieren, nach Pferden und Kühen - und....Fast wäre Willem vom Rad gefallen. Er schlingerte hin und her und bekam sein Rad im letzten Moment wieder abgefangen.

Durch den Rundbogen des am nächsten gelegenen Stallgebäudes schaute ihn, nicht weiter als vielleicht zehn Meter entfernt, ein Zebra mit großen Augen an. Willem stoppte sein Rad, hielt an, schüttelte sich, wischte sich die Augen. Er schaute sich um. Links und rechts und hinter ihm: nasse triefende niederländische grüne Wiese. Hin und wieder: nasse niederländische grüne Büsche, deren Laub sich schon herbstlich verfärbte. Von oben: nasser niederländischer Nieselregen. Willem schaute zum Stall hinüber.  Die schwarz-weißen Streifen waren durchaus deutlich zu erkennen.  Die aufragenden Nackenhaare, die großen schwarzen Augen. Das Zebra stand ganz ruhig da und schaute. Willem stand ganz ruhig da und schaute.  Und überlegte: Was macht so ein Zebra hier im niederländischen Niemandsland? Wo sind die Giraffen? Sollte ich auf Nashörner acht geben? Und wo bleibt der Wildhüter?

Willem schloss wieder die Augen. Er atmete tief in die Lungen. 

"Jetzt mal gaaanz langsam", sprach er leise zu sich selbst. "Gaanz langsam alter Junge." Noch ein paar Atemzüge.

Plötzlich ein Ton, der ihn erschaudern ließ. 

"Muuuh!"

Das kam ganz aus der Nähe. Willem blinzelte. Zuerst öffnete er ganz langsam das rechte, dann das linke Auge.

"Muuuh!"

Da war es wieder. Und dieser gewöhnliche, im Königreich weitverbreitete Ton kam von einer gewöhnlichen schwarz-bunten Kuh. Aus dem Stall. Dort vorn. Willem starrte das Tier durch den Rundbogen an. Er schaute nach links und nach rechts, reckte den Hals, um in das Stallinnere zu schauen. Doch das Zebra blieb verschwunden. Er kniff sich in die Wange. Der Schmerz war real. Er musste halluziniert haben. Das war ihm schon mal passiert, als er mitten in Amsterdam meinte, Elefanten auf der Straße gesehen zu haben. Was war das denn für ein Zeugs, fragte er sich. Ich glaub, ich muss aufpassen, was ich da rauche. Wer weiß, was mir die Jungs da zusammen gemixt haben. Der Schreck war ihm gewaltig in die Glieder gefahren.

Willem steig wieder auf sein Rad, fuhr weiter und als er ins nächste Dorf kam, sah er Leentjes Rad vor einem Gasthaus an der Hauswand lehnen. Er hielt an, ging in den Gastraum und gesellte sich zu seiner Ex-Regentenfrau, die bereits wieder in ein angeregtes Gespräch vertieft war. Die Wirtin kam, begrüßte ihn aufs freundlichste, da sie ihn als Gatten der Ex-Regentin erkannt hatte, und fragte nach seinen Wünschen. Willem jedoch war noch erregt und verwirrt von seinem Erlebnis, das er nun irgendwie überhaupt nicht einordnen konnte. Er schaute die Wirtin lange an, überlegte, horchte in sich hinein. Kaffee, Kuchen, Poffertjes - nein, das konnte er jetzt nicht gebrauchen. Er bestellte er sich einen doppelten Genever. Nichts zu essen, nein Danke. Besser, noch einen Genever, machte der er der überraschten Wirtin klar.

Leentje schaute ihn an, wunderte sich, runzelte ihre Stirn.

"So viel Alkohol schon am frühen Mittag? Wenn das mal gut geht, mein Lieber. Demnächst siehst Du noch weiße Mäuse", tadelte sie ihn.

Willem rollte mit den Augen, sagte aber nichts.

"Aber Du glaubst ja nicht, was ich vorhin gesehen habe", fuhr Leentje fort. "Ein Zebra, in voller Größe, schön gezeichnet, auf einem Bauernhof hier ganz in der Nähe. Das solltest Du Dir mal ansehen, das sind so schöne Tiere. Du weißt, wie sehr ich sie mag. Aber ist das nicht seltsam, diese wunderbaren afrikanischen Tiere hier bei uns im Nieselregen anzutreffen? Vielleicht fahren wir gleich mal zurück und wir schauen uns das nochmal aus der Nähe an."

"Ach nee, lass mal", wiegelte Willem ab. Das war ihm nun ganz und gar nicht geheuer. Irgendetwas stimmte hier nicht. War der Shit doch nicht so stark gewesen, hatte er das Zebra doch gesehen - oder rauchte seine Frau auch heimlich ihren Joint und hatte ähnliche Halluzinationen? Oder wollte ihn irgendwer zum Narren halten?

Willem van Eyck schüttelte sich erneut. Zukünftig würde er sich an Grolsch und Genever halten. Das war sicherer. Bier und Schnaps machten zwar schwindlig, aber im Rausch sah man selten so große Tiere. Man konnte ja nie vorsichtig genug sein. 

 

 

04-112020

Der Kopf muss ab

 

Herbstzeit. Das ist die Zeit, in der Köpfe rollen. Kohlköpfe. Ob weiß, ob rot oder kraus. Ob Blaukraut, Sauerkraut oder Wirsing, vor den Genuss hat Annapurna, die indische Göttin des Kochens und des Überflusses erst das Morden gesetzt. Zuerst muss das Messer gewetzt und geschwungen werden.  

Also drückt die Köchin dem Gärtner das Messer in die Hand und stachelt ihn an: der Kopf muss ab! Bring ihn her! Ich will ihn meucheln! Äähh, nee, nicht so, nur äähh in Streifen schneiden, dünsten, abschmecken.

Also gut, der Gärtner stiefelt hinaus in die brandenburgische Weite, ins niederrheinische oder westfälische trübe Grau, bückt sich, greift mit seiner Linken unter den Kopf, die äußeren Blätter leicht nach oben drückend, und durchtrennt mit Schwung und maßvollem Druck den Strunk vom Rest des Gewächses. Die Zufuhr der Lebenssäfte ist nun abgeschnitten, der Kopf rollt zur Seite. Der Gärtner reißt  den Strunk heraus, dessen Wurzeln komischerweise fast wie eine Strubbelpeterfrisur aussehen, nimmt Kopf und Messer und freut sich auf das Mittagessen. Triumphierend präsentiert er seinen Jagderfolg und wird wieder ins Freie entlassen, um Unkraut zu jäten oder die weiteren Köpfe zu hätscheln.

Die Köchin jedoch widmet sich jetzt ganz ihrer Passion, greift zu Schneidbrett und Messer, entfernt die äußeren groben Blätter, legt sie zur Seite; wenn sie ok sind, kann man sie auch kleinschneiden.  Mit drei schnellen Schnitten wird der Kopf in Viertel zerteilt, die groben Rippen und der Strunk entfernt, dann der Wirsing in mehr oder weniger feine Streifen geschnitten. Die Streifen wäscht die Köchin in kaltem Salzwasser und lässt sie in einem Sieb abtropfen.

Drei mittelgroße Schalotten werden fein gewürfelt, und zusammen mit einer Handvoll Speckwürfel glasig angedünstet. Jetzt fügt sie die Wirsingstreifen hinzu, lässt sie unter stetigem Holzlöffelrühren erst etwas anbraten, gibt ein Wasserglas mit Gemüsebrühe hinzu, Salz, Pfeffer und etwas Muskat und schließt den Deckel. Der Kohl wird jetzt weich gedünstet. Nach zehn, vielleicht fünfzehn Minuten erfolgt dann ein erster Bisstest. Noch al dente? Dann noch weitere zehn Minuten köcheln lassen. Nun gibt die Köchin schon mal die Sahne hinein und lässt anschließend die Flüssigkeit reduzieren. Wie weit? So weit wie man mag. Nur anbrennen sollte der Wirsing nicht, Röstaromen haben hier nix verloren. Das geht ihr einfach und schnell von der Hand und die Köchin weiß eine inhaltlich anspruchsvolle Portion auf dem Teller. Dazu Bratkartoffeln und (Wild-) Bratwurst oder Buletten. Und ein kühles Pils.

 

 

Zwischendurch

 03112020

 

Radfahren ist Fortbewegung, ja sicher, umweltfreundlich dazu. In der Stadt allemal. Radfahren ist auch Sport, mehr oder weniger; bei der einen mehr, bei dem anderen weniger. Meistens also das Mindestmaß an körperlicher Bewegung und somit immerhin besser als nur am Schreibtisch sitzen.

Man kann auch mit einem Rad Dinge transportieren: den Wocheneinkauf, ein paar Blumen, die Flasche Wein, Gemüse und Obst, ein Paket. Kinder werden mit Rädern zum Kindergarten oder Opa/Omi gebracht. Manche Menschen vollführen Kunststücke mit ihren Rädern. Oder klettern schnaufend irgendwelche Berge rauf und rasen auf den anderen Seite wieder herunter.

Fahrradfahren kann aber auch fast eine Art Kontemplation sein. Oder eine Art Meditation. In der Bewegung innehalten. Und das sind mit die schönsten Momente eines Fahrradfahrerlebens. Langsam und stetig in die Pedalen treten, das mit Gepäck bepackte Gefährt stetig rollen lassen, den Weg im Auge behalten, um die nächste Abzweigung nicht zu verpassen, links und rechts schauen, Blumen sehen, Kühe auf der Wiese, zwei äsende Rehe, spielende Kinder, die Wolkenberge am Himmel. 

Langsam und stetig den Hügel erklimmen, sich treiben lassen, den Schmerz im Po ignorieren, die Muskeln der Waden fühlen, den Wind in den Haaren und an der Nase spüren. Die Augen zusammenkneifen, um die Kilometerangaben auf den Hinweisschildern und im vorbeirollen zu lesen. 

Und dann das nächste Dorf sehen, die nächste Station der Etappe. Sich schon einen Kilometer zuvor darauf freuen. Auf das Stück Zwischendurch-Fleischwurst des örtlichen Metzgers, im Stehen, auf dem Gehweg. Auf das Stückchen Zwischendurch-Zitronenrolle am Tischchen vor der Konditorei im Schatten der örtlichen Kirche. Auf das Eis in der Waffel mit dem kleinen Espresso im Eiscafé am Marktplatz. 

Kleine Geschmackserlebnisse zwischendurch genießen - um dann mit einem Lächeln wieder aufzusitzen. Zu wissen, für zwanzig Minuten brennen die Pobacken nicht; zu wissen, dem Tagesziel ein Stück näher gekommen zu sein; zu wissen, unterwegs sein zu können, die Gedanken fliegen lassen zu können, sich anstrengen und genießen zu können und sich schon jetzt auf die Belohnung am Abend zu freuen. 

Zwischendurch schon mal sich selbst loben, sich selbst belohnen und mit sich im Reinen sein. Und dann weiter trampeln. Stetig. Bis zur nächsten Zwischendurchüberraschung. Zur nächsten Zwischendurchbelohnung. Bis dahin: durchhalten.

02-112020

Nächstes Jahr wieder.

 

Der Sommer war lang gewesen. Und sehr trocken. Mal wieder war, wie schon im vergangenen Jahr, viel zu wenig Regen gefallen. Staub und grobe Erdbrocken lagen überall herum.  Früher hatte er sich das Treiben im Sommer häufig aus gesicherter Entfernung anschauen können; hatte sich gefreut, wenn die Kinder aus den Häusern ringsumher nach einem Sommerregen oder Gewitter mit ihren Gummistifeln in kleinen und großen Pfützen herumstapften. Wie sie Matsche machten, kleine Schiffchen aus Papier falteten und über das kleine große Wasser schoben.

Sicher, damals hatte es auch schon heiße Wochen gegeben, aber eben immer wieder kleine Schauer zwischendurch, oder ein Wärmegewitter mit einem anschließenden stundenlangen Landregen. Er dachte zurück. Verklärte er jetzt auch schon die Vergangenenheit? War früher alles besser gewesen? Nee, nee. Er konnte ja seine Einsatzzeiten in diesem Jahr zusammenzählen, und da zeigte sich ganz eindeutig, wie häufig er auch in diesem Sommer wieder gerufen und ausgerollt worden war. 

Der Rasen, sein grüner Freund, war schon nach wenigen Wochen im Frühjahr müde gewesen, die notwendige Feuchtigkeit mit seinen kurzen Wurzeln aus der immer trockener werdenden Erde hochzuziehen. Zuerst hatte man gesehen, dass er morgens nicht mehr so frisch die Blättchen nach oben gestreckt hatte, sondern sie häufig einfach hängen lies. Dann waren kleine braune Stellen aufgetreten, aber eben keine Altersflecken, sondern einfach verdurstete, trockene Bereiche. Deshalb musste schon früh, es war wohl Mai gewesen sein, gewässert werden. 

Bald darauf hätten alle, die es hätten sehen wollen, auch sehen können: die gelben, roten, blauen Blumen, die mit ihrer Pracht immer so stolz gewesen waren, kamen nur mühsam aus der Erde, hatten nur dünne Stängel angesetzt und wuchsen nur knapp halb so hoch wie normal. Die Büsche und Stauden ließen ebenso häufig ihre Blätter hängen. Und dann später, es war Hochsommer gewesen und eigentlich hatten alle Pflanzen in vollem Saft stehen sollen, warfen die großen Bäume schon ihre  Blätter ab, um sich vom Ballast zu befreien. Ihnen allen ging es nicht gut, sie dürsteten. 

Er hatte getan, was er konnte, war Stunde um Stunde im Einsatz gewesen, hatte im gesamten Garten seine Hilfe angeboten und war manchmal abends gar nicht mehr in seine Schlafposition gekommen.

Der rote, aufgerollte Gartenschlauch, der begierig auf den Winter wartete, stand jetzt abseits, am Rande des Gartens, an einer kleinen Mauer, entleert, vom Wasserhahn abgekoppelt, notdürftig gesäubert. Aber er war zufrieden. Er hatte getan, was von ihm verlangt worden war - links am Wasserhahn das Wasser einspeisen lassen und am anderen Ende wieder freigeben, wässern, spritzen, helfen. Es war viel Arbeit gewesen, keine Frage, doch jetzt, im Herbst regnete es endlich und er wurde nicht mehr benötigt.

Der große alte Baum, der rechts neben der Treppe stand,  würde dieses Jahr nicht überleben. Er hatte ihn lieb gewonnen und er hatte sich vorgestellt,  dass der mächtige Baum seine Äste weit ausgestreckt hatte, so als wolle er die ganze Welt umarmen. Doch nach über einhundert Jahren waren seine Äste in diesem Jahr nach und nach vertrocknet. DIe Gärtner würden ihn fällen. Dafür würden neue Bäume kommen. Das Leben im Garten war ein ständiges Kommen und Gehen. Und im Frühjahr würde auch er, der rote Gartenschlauch wieder gebraucht werden. Er freute sich schon drauf. Doch jetzt war erstmal Winterpause.

 

01-102020

Herbst

 

   Es ist warm. Die Decke hat die richtige Größe. Bis zur Nase hochgezogen sind Füße, Arme, Rücken bedeckt. Es ist fast dunkel im Zimmer. Lediglich ein schwacher Lichtschein der Straßenlaterne schimmert durch die kleine Lücke zwischen den Vorhängen. Das Fenster ist gekippt geöffnet. Wind rauscht durch die noch vorhandenen Blätter der Bäume, bewegt die Vorhänge hinter dem geöffneten Fenster. Ein leises Tippen an der Fensterscheibe. Regentropfen, vom Wind getragen. Mehr Tropfen, mehr Wind, ein Stakkato. Dann wieder Ruhe. Noch hat sich kein Ton in die morgendliche Dämmerstunde verirrt. Kein Weckerpiepen, kein Musiktremolo. Lediglich röhrt in der Ferne irgendwo die Trommel des Müllwagens und zermalmt den täglichen Abfall. 

  Die Augen noch geschlossen, den Träumen der Nacht nachfühlen. Kopf, Rücken, Beine spüren, lokalisieren, meditieren. Die Schwere fühlen. Unwillig den Tag im Kopf beginnen. Herbststürme herbei wünschen, Regentage herbei sehnen, nicht aufstehen wollen, Gründe finden. Gähnen. Noch wäre Zeit, den Wecker auszustellen. Sich dem Tag hinzugeben. Aus gesicherter Entfernung dem Draußen zuzuschauen, Regen und Sturm zu genießen, auf nasse Schuhe und Jacke zu verzichten. Noch wäre Zeit, sich vorzustellen, einen zweiten Kaffee holen zu können, einen Keks zu nehmen, das Buch zu holen, die Heizung aufzudrehen, sich den Genuss eines selbst geschenkten Tages zu gönnen. Die Langeweile eine lange Weile zuzulassen und zu spüren, wie früher. Noch wäre, ...zu spät. 

Zeitansage. Nachrichten. Stau über Stau über Stau. Herbst. Regen und Blätter. Dusche, Brötchen, Kaffee. Schnelldurchgang. Jacke, Mütze, Schirm, Straßenbahn, beschlagene Scheiben. Nasse Schuhe, Büro, zu spät. Regenprasseln. Müde, Schwere, Dämmerung, graue Wolken. Aber Morgen, bestimmt anders.