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Ein Man(n)ifest

Mehr Bauch muss sein

 

Was ist denn nun richtig? Bestimmt das Sein das Bewusstsein, oder bestimmt das Bewusstsein das Sein? Mit dieser Frage des dialektischen Materialismus beschäftigte sich schon der alte Karl Rauschebart. Der ihm zugeschriebene Satz ist nicht ganz korrekt - aber heute, wie viele falsche Zitate, immerhin ein Allgemeinplatz geworden. Nun wusste schon Kalle, dass es sich dabei um eine Wechselbeziehung handelt und das mit dem Bewusstsein so eine Sache ist. Es ist nicht in Stein gemeißelt, sondern ändert sich und unterliegt Erkenntnissen oder auch äußeren Einflüssen wie gesellschaftlicher Stellung oder auch gesellschaftlichen Moden. 

 

Hände hoch: Wer hat seine Meinung, seine Sicht auf die Welt noch nie geändert?  Oder andersherum gefragt: wessen Bewusstsein hat sich nicht schon mal im Laufe der Jahrzehnte gewandelt? Das gilt für das politische Bewusstsein, genauso gut aber auch für individuelles Bewusstsein, für bewusste individuelle Befindlichkeiten. Und somit auch für das Körperbewusstsein, welches, noch mehr als andere Bewusstseinsdimensionen, gewissen Moden und gesellschaftlichen Zwängen unterliegt. 

Eine große Rolle spielen hier die sogenannten Schönheitsideale. Die ändern sich manchmal radikal im Laufe der Jahre. Wer kennt sie nicht, die antiken Statuen mit ebenmäßigen Gliedern und Proportionen? Oder die Bilder des Barock mit den sprichwörtlich barocken Frauen und Männern. Die damals vorherrschenden Schönheitsideale spiegeln sich hier in der bildenden Kunst. 

 

Auch in unserer Zeit ändern sich Ideale und Vorbilder und solche, die dafür gehalten werden. Allerdings vollziehen sich diese Veränderungen nicht mehr in langen Zeiträumen, sondern alle paar Jahre, manchmal auch rasant von Saison zu Saison, je nach der Verwertungslogik der Industrie. 

Manchmal sind dann Männer mit muskulösen Oberarmen und Schnauzbart und Vokuhila der letzte heiße Scheiß. Dann wieder mit der treue Dackelblick unter langen Haaren, Yogamatte unterm Arm und Schlabberhose als Zeichen entspannten Seins. Um dann von veganen Hungerkünstlern mit engtaillierten Sakkos, Vollbärten, Kappen, Röhrenhosen or what ever abgelöst zu werden. 

Manchmal sind dann Frauen mit Wespentaille angesagt, manchmal mit langen Beinen, mal sind große Brüste in, mal kleine Brüste, mal dicke Hintern oder Botoxaugen. Immer aber wird vorgegaukelt, dass sonnengebräunte Hungermodels die absolute Erfüllung irdischen Daseins seien.

Viele Frauen haben das mittlerweile durchblickt und pfeifen drauf, oder kämpfen sich frei von den gefakten Bildern und Empfehlungen der Yellow Press. Die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Körper wird zunehmend anerkannt. Frau will nicht mehr so sein, wie sie sein soll, sondern wie sie sein will.  Da hat frau die komplette Unterstützung sicherlich aller halbwegs intelligenten Männer. Und das ist auch gut so.

 

Doch es gibt einen Zustand, den unsere Gesellschaft, bei aller Betonung von Selbstbestimmung, Diversität und Individualität, nicht so akzeptieren kann, wie sie ihn vorfindet. Und das ist: der männliche Körper. Und hier vor allem: der Mittelpunkt. Der männliche Bauch. Es heißt zwar so schön "ein schöner Bauch, tut's auch", aber: flach soll er sein. Wenn auch das lange Zeit als non-plus-ultra geltende und obligatorische "Sixpack" nicht immer gewünscht wird, so werden doch darüberhinaus gehende Rundungen oder leichte Wölbungen gar nicht gern gesehen. 

Der männliche Bauch: er steht unter ständiger Beobachtung. 

Kritik? Neeein, das doch nicht. Never. Von wem auch? 

Aber als Gesundheitstips verbrämte Hinweise werden dann schon gern in Ratgebersendungen, in Artikeln auf den Life-Style Seiten oder bei Kampagnen von offiziellen Stellen usw. gegeben: 

Muss es noch das eine Bierchen sein? Man(n) könnte doch auch alkoholfrei trinken. Der Gesundheit und der Hüfte zu Liebe... 

Muss es denn noch der Nachschlag sein, das Stückchen Braten? Reicht denn nicht  die eine Grillwurst?

Warum muss es der Fleischsalat sein? Der hat soooviiel Majonäse!!!

Müssen wir denn immer Butter nehmen? Fettfrei kann man doch auch kochen.

Sahne? Das reinste Gift. 

Und die Kartoffeln (!!!) - nix als Kohlehydrate. 

Und dann braucht's nicht zu wundern, auf der Straße, im Biergarten, im Café; Ein schräger Blick von der Seite und die zwar unausgesprochene aber unmissverständlich zu verstehende Frage, warum die Hose schon wieder so eng sitze. Ja, ja, die Schokolade sei auch schon wieder weg. Bewegen könnte man(n) sich auch mal wieder. Außerdem schaue das doch auch gar nicht schön aus, wenn das Hemd oder das Sakko so leicht spanne, in der Mitte. 

Mit einem Lächeln wird er auch mal gestreichelt, der Bauch. Er wird ja in Gänze geliebt, der Mann - aber ein wenig weniger täte es doch auch. Oder etwa nicht?

 

Klar, es gibt Extreme: Hungerhaken und Fettklöpse.  Doch die meisten Männer sind: dazwischen. Fühlen sich wohl. Mit einem Kilo mehr überm Gürtel. Oder auch zwei. Sind großzügig, auch sich selbst gegenüber. Schauen sich vor dem Spiegel nur von vorne an und verstehen nicht, warum man(n) das Profil sehen sollte. Ein Blick: So ist's gut. Und gut ist. 

All die gut aussehenden sportiven Männer in den Werbepausen und Filmen - die sind doch geklont und gezüchtet, oder? Sportler, ok, das ist deren Passion. Die müssen laufen, springen, werfen und was sonst noch alles. Da haben die gar keine Zeit und Ruhe zum Bauchansetzen. Und, ja, einzelne Männer mit "Salat und fettfrei-Fetischismus" soll es ja auch geben. Geschenkt. Die dürfen das. Doch alle anderen sollten in sich gehen und Selbstbewusstsein zeigen: Mehr Bauch muss sein. 

Das könnte doch ein Zeichen sein, eine Bewegung werden: 

  • Gegen Gemüse- und Magerquarkdiktatur! 
  • Für Pasta, Aufläufe, Eintöpfe und Sonntagsbraten! 
  • Gegen den Mainstream aus fettreduziertem Alibikäse, Wassereis und gesalzenem Popcorn! 
  • Für Croissants, Pommes, Sahnetorten und Schokoladenpudding mit Sahne! 
  • Für Kalorienfreiheit!

Ein Mann mit Bauch tut's auch! 

Mehr Bauch muss sein!

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