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Absurde Gleichzeitigkeit

Sechs Uhr. Das Radio schaltet sich ein. Nachrichten prasseln wie kleine Ohrfeigen auf Dich nieder. Du hast geschlafen, bist ausgeruht. Was ist aber mit den Menschen, von denen gerade berichtet wird, die unter Beschuss und Bombenterror leiden, die einen Krieg erleiden? Sie können sich nicht ausgeschlafen noch einmal auf die andere Seite drehen. 

 

Auch wenn die Welt entgegen anderer landläufiger Meinung keine andere als zu Beginn des Jahres 2022 ist, denn Kriege toben seit langem allenthalben in vielen Ländern und Regionen des Globus, so ist doch die menschenverachtende Brutalität, die offene Machtgeil- und -besoffenheit sowie die offensichtlich freudige Ignoranz gegenüber Verträgen und Vereinbarungen seitens des halbnackten Reiters aus Sankt Petersburg etwas, was wir Menschen hier im wohltemperierten Westen uns nicht vorstellen konnten oder wollten. Wir hätten sehen und hören können, wenn wir wollten. Wir haben aber lieber unseren Politprofis sowie (selbst- oder fremdernannten) Expertinnen und Experten und ihren ausgefeilten und hoch dotierten Erläuterungen zugehört. Und ihnen geglaubt. Auch wenn man häufig ahnen konnte, dass die Expertisen über Energie und Demokratie und Diplomatie eher monetär begründet waren.  Was haben sie uns immer erzählt, dass wir alle keine Ahnung hätten. Angefangen bei Old-Gerhard-Schröder, über die heilige Manuela bis hin zu ihren Vasallen, bis hin zu den Wirtschaftsbossen und ihren Interessenvertretern. 

 

Die japanische Kirsche im Innenhof leuchtet mit ihrem zarten Rosa in den Frühling, der jetzt kurz nach Beginn schon mächtig Wärme zu bieten hat. Leichte Windböen lassen die hauchdünnen Blütenblättchen fliegen, bald wird sich das Farbenspiel schon wieder ausgespielt haben. Drüben auf dem großen Feld werden die Blumen für die Saison gewässert. Das Gemüsefeld wird gerade gepflügt und wieder vorbereitet. Es gibt Arbeiten zu erledigen, die sich nicht verschieben lassen, die jetzt getan werden müssen. 

 

Die sogenannte Linke macht sich noch unglaubwürdiger, als sie es ohnehin schon lange war. Der eine hampelt auf russisch herum, die anderen velwechsern lechts und rinks, verbreiten Propaganda des Aggressors, zeigen, dass sie im Wolkenkuckucksheim leben, sich nicht den Realitäten stellen wollen. Die demokratische Rechte im deutschen Parlament macht sich unglaubwürdig durch Abstimmungstricks und Nebenschauplätze, vielleicht um ihre jahrelange Inkompetenz zu verschleiern. Die Rüstungsindustrie verdient, die Bürokratie geht weiter munter ihren Weg wie im Sozialismus: Immer bergauf! Aufbau! Und mehr Personal! Statt: Effektivität und Schnelligkeit. Die in die Verantwortung Gewählten mühen sich, fast alle. Mancher allerdings, der Führung ankündigte, ist irgendwie abgetaucht. Hat schon jemand Olaf gesehen? Muss wohl hinter verschlossenen Türen seine eigenen Leute überzeugen, sich den neuen Realitäten zu stellen. Das ist zugegeben nicht einfach. 

 

Gelb, grün, rosa. Blauer Himmel, Wärme genießen, sich auf das Glas Rotwein am Abend freuen, noch einen Kaffee bestellen, in der Sonne sitzen. Unablässig vibriert das Smartphone mit neuen Nachrichten, aktuellen Meldungen der Agenturen, der Tagesschau, über Twitter und den Zeitungsportalen. Live dabei sein, ohne etwas zu riskieren. Aus der Ferne schauen, Geld spenden, Hilfe anbieten. 

Kaum zwei Flugstunden entfernt ist auch Frühling geworden. Nur sind es dort keine Hummeln oder erste Bienen, die brummen. Dort sind es Geschosse und Raketen. 

 

Es fühlt sich absurd an. 

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