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Sie werden unser schönes Land kaputt machen

Endlich, könnte man sagen, endlich gehen zehntausende Menschen auf die Straße: gestern in Köln, in Duisburg, am vergangenen Wochenende in Potsdam und Berlin.  

Der unglaubliche Anlass: Faschisten und ihre verantwortungslosen, demokratiefeindlichen Unterstützer/innen in Parteien, Unternehmen, Stiftungen und Verbänden unterhielten sich allen Ernstes über Pläne zu großangelegten Vertreibungen und Deportationen von Menschen, die nach den Vorstellungen dieser Zwerggermanen nicht in dieses Land passen würden.  Sie stellen damit alles in Frage: unser Grundgesetz, unsere Demokratie, unseren Wirtschafts- und Sozialstaat, unsere Werte, unsere Stellung in der Welt. 

Den Journalisten des Recherchekollektivs „correctiv“ ist dieses Land zu großem Dank verpflichtet, das Treffen im Adlon-Landhaus am Lehnitzsee bei Potsdam öffentlich gemacht zu haben. 

Was hat man jedoch nicht schon alles über die AfD und ihre Konsorten erfahren, über Höcke und Kalbitz, Gauland, Weidel, Chrupalla, um nur die größten Arschgeigen zu nennen, als dass man noch überrascht sein könnte, welch Geistes Kind diese Figuren sind. Sie gehen doch offen damit um, in ihren Parteitagsbeschlüssen, in ihren Reden., in ihren Zeitschriften, in ihren Vorfeldorganisationen, auf twitter, auf Tiktok, auf Facebook. Sie rotten sich zusammen, sie wittern Morgenluft, ihre Chance. Faschisten und rechtsradikale Parteien hat es immer schon gegeben, nicht nur in anderen Ländern, auch in Deutschland – und das trotz der Erfahrungen mit NSDAP, mit Krieg, Vertreibung und 40 Millionen Toten. Ein Bodensatz von fünf bis zehn Prozent undemokratischen, autoritätsfixierten Verwirrten musste man wohl schon immer registrieren. So weit, so wenig verwunderlich. 

Nun aber leben wir in einer Zeit der großen Zäsuren. 

Angefangen beim Krieg Russlands in und gegen die Ukraine, der uns abnötigen wird, wesentlich mehr für militärischen Verteidigung auszugeben, wenn wir als deutsche, europäische Demokraten nicht von Putin zusammen mit seinen Unterstützern von AfD bis Wagenknecht hinweggefegt zu werden. 

Die Veränderungen des Klimas werden andere Wellen, nasse und heiße, bringen. Das wird viele Schäden anrichten. Und viele Menschenleben kosten. Dieselben politischen Kräfte ignorieren jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse und wirksame Gegenmaßnahmen. Man kanns ich nur noch an den Kopf packen.  Das sind nur zwei Themen. Jeder möge sich andere Felder angucken und sich das Urteil bilden.

Viel widerlicher finde ich daher, dass ein offensichtlich zunehmender Teil der deutschen Wahlbevölkerung dieses unheilvolle, unverantwortliche Pack als wählbar, als Alternative, als normal, als richtig ansieht. Umfragen von weit über dreißig Prozent in ostdeutschen Bundesländern lassen das Blut in den Adern gefrieren.

Da frag ich mich, was soll das? Und jetzt kommt mir nicht mit psychologisierenden Erklärungen von wegen Veränderungsmüdigkeit und so. Den Allermeisten geht es materiell besser als je zuvor. Man kann reisen, wohin auch immer. Man kann sagen, was man will, es gibt weder Staatssicherheit noch Knast, man muss sich lediglich gegebenenfalls einer Diskussion stellen. Es gibt keinen Schießbefehl, wenn man auswandern will. Industrie wächst und prosperiert – ohne ganze Landstriche zu verseuchen.  Na klar, es gibt in manchen Gegenden Probleme – Arbeit weit weg, Läden, Ärzte usw. nicht immer um die Ecke. Aber das gibt’s es im Sauerland, im Hunsrück, im Bayrischen Wald auch. Probleme sind da, gelöst zu werden. Also strengt euch an. Das machen andere auch. 

Vielleicht war früher alles besser? Na dann empfehle ich mal eine Zeitreise und schaut und vergleicht, was eine offene Gesellschaft bietet mit den Erfolgen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung und demokratischer Teilhabe. 

Alle politischen und wirtschaftlichen Systeme, die ihre Menschen unterdrückten, sind über kurz oder lang implodiert: die Sowjetunion war pleite, die DDR war pleite, der ganze Ostblock ein Armenhaus. Die autokratischen Regime der PiS in Polen (bis vor kurzem) oder Orban in Ungarn funktionieren heute auch nur auf anderer Leute Kosten, weil die europäische Union Geld verteilt.

Ist die Situation verfahren? Nein.

Können wir etwas tun? Ja. Informieren. Demonstrieren. Diskutieren. Widersprechen, gerade auch im privaten Umfeld, auch wenn’s Vollkoffer sind, auch wenn’s Mühe und Ärger macht. Position beziehen, engagieren, vernetzen, Zeitung lesen, Meinung bilden.

Kann die von uns gewählte Regierung etwas tun? Auch ja. Probleme priorisieren und Lösungen vorstellen. Wenn man keine Ahnung, einfach mal Klappe halten. Politisch und administrativ Verantwortliche sollten jeden möglichen Anlass nehmen, diese antidemokratischen Kräfte auch juristisch in die Schranken zu weisen. Das Grundgesetz ist aus antifaschistischem Geist geschrieben worden. Bürgern/innen die das Grundgesetz abschaffen wollen, können die Grundrechte entzogen werden. Man kann und muss solche Maßnahmen auch anwenden. Warum gibt es kein Einreiseverbot für Hetzer wie Martin Sellner (schon wieder ein Österreicher…) ? Demokratische politische Bildung für Kinder und Jugendliche muss massiv ausgebaut werden.  Medien müssen sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe widmen.

Vor allem ein Gedanke: die demokratischen Parteien sollten, bei allen Unterschieden, die man in Sachfragen haben kann und muss, einig sein, in der Verteidigung unseres Staates.  Und und und. 

Es gäbe noch mehr zu sagen, vielleicht mal bei Gelegenheit im Gespräch. Hier lass ich erstmal so stehen. 

Eines ist jedoch wohl vielen, vor allem denen, die demonstriert haben, klar geworden: Wenn wir alles geschehen lassen, wenn wir sie machen lassen, dann werden die Faschisten, dann werden AfD-Konsorten alles schleifen was uns gut und teuer ist. 

Sie werden unser schönes Land kaputtmachen.

 

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