· 

Genuss und Geschichte - Wien

Rot und gelb leuchtet das Weinlaub in der herbstlichen Mittagssonne. Reben und Bäume sind noch reichlich voller Laub, ein farbenprächtiges Bild bietet sich dem geneigten Besucher. 

Eine knappe halbe Stunde dauert's mit der Straßenbahn aus der Innenstadt bis zur Endhaltestelle Grinzing, dort hat man die bewaldeten Hügel des Wienerwaldes in Sichtweite, Weinreben links, Weinreben rechts, eine Idylle - doch auf den schmalen Wanderwegen ist es so voll, wie manchmal Samstagmittags auf der Hohe Straße in Köln. 

Kurz geschmunzelt, nein, so schlimm ist es nun wirklich doch nicht. Die Wiener-innen, und ihre zahlreichen Gäste aus aller Welt,  drängt es an solchen Tagen raus aus der Stadt. Die Sonne wärmt jetzt gegen Mittag, auch wenn im Schatten die mittlerweile kühlen Temperaturen des November herzlich grüßen. Es ist schon eine Augenweide, hier am Hang des Nußbergs zu stehen und den Blick über die Hügel und Weinreben hinunter ins Tal, über die Stadt Wien, das Donautal und fast bis in die Slowakei schweifen zu lassen. 

Nicht nur hier draußen beim mittäglichen Wein in einem Heurigen, auch Buschenschank genannt, erschließt sich schnell, warum die Stadt als eine der lebenswertesten Städte gilt. Das Leben hier scheint ruhiger, gemächlicher, genussvoller zu sein als zum Beispiel in der deutschen Hauptstadt. Kinderspiel. Wo sonst lässt es sich ausgesprochen entspannt einen Vormittag verleben, als bei Zeitung und Einspänner in einem Wiener Caféhaus; hohe Räume, Stuck und Gemälde an den Wänden, viel Holz, viele Spiegel, kleine Séparées. Dazu herzlich umsorgt von Kellnern mit ihrem unnachahmlichen Wiener Schmäh. "Gnädiger Herr, gnädige Frau Professorin, darf's noch etwas sein sein? Ein Ei im Glas oder ein Glas Sekt zum Beispiel zum perlenden Einstieg in den Sonntag?" 

Man blickt sich um und entdeckt auf einem Absatz das Bild von Ernst Happel, einem berühmten Fussballtrainer, der hier viele Jahre lang quasi sein zweites Wohnzimmer hatte und mit Freunden Karten spielte.

Sowieso Geschichte, überall Geschichte. Altes Kaiserreich, verewigt in Geschichten und Büchern und Bildern und Filmen, vor allem aber auch sichtbar anhand  der Gebäude. Viele aus der (vorletzten) Jahrhundertwende, Gründerzeit, eben auch wenig im zweiten Weltkrieg zerstört. Immerhin ein Witz der Geschichte, das der bekannteste Deutsche doch geborener Österreicher war. Das haben sie uns Piefkes bis heute nicht verziehen - oder?

Nun denn, "watt fott es, es fott" (rheinische Wahrheit) - und die Gegenwart in der Alpenrepublik mag zwar durch bizarre politische Korruptionsskandale geprägt sein, dem Lebensgefühl und dem Genuss von Gössner und Ottakringer Bier in einem Schanigarten, von Blauzweigelt, Grünem Veltliner oder einem Wiener Schnitt in einem Beisl, von Wiener Schnitzeln, Gulasch oder Kaiserschmarrn in einem der zahlreichen wirklich guten Restaurants, von Sachertorte im Caféhaus, oder einer Käsekrainer an einem der zahlreichen Würstelstände tut dies keinen Abbruch. Sprachlich kann man sich gut verständigen, auch wenn der Dialekt manchmal schwer gängig erscheint und in manchen Stadtbezirken deutlich wird, das der Balkan verdammt nah ist. Was man durchaus auch im Straßenverkehr merken kann.

Und wenn man zwischen all den Genüssen noch Zeit findet, dann laden Theater, Kleinkunstbühnen oder das Museumsquartier herzlich ein, auch den Kulturgenuss nicht zu kurz kommen zu lassen. Doch dazu beim nächsten Mal mehr. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0