· 

Wilde Wurst

Du siehst die Weite der Landschaft, die kleinen und zwischen Wäldern versteckten Seen, du hörst die Schreie der Kraniche und das Klappern der Störche, du riechst die Wiesen im Frühling und die Stoppelfelder im Sommer, du fühlst den Nebel im Herbst und die kalten Winde im Winter. 

Du siehst leichte Rauchschwaden gen Himmel schweben, und auch wenn Du die Verursacher noch nicht sehen oder riechen kannst, stellen Deine Synapsen eine Verbindung her und Deine Speicheldrüsen beginnen zu zucken. Verlangen stellt sich ein, ein Genussverlangen. Und dann hast Du  eine erste Ahnung, denn dann, ja dann musst Du wo sein?

 

Vorher jedoch steht andere eine Frage im Raum, die zu beantworten wäre: Was bleibt erinnerlich? An was erinnern wir uns? Tja, die Frage kann man sich oft stellen. Was bleibt hängen, im Gedächtnis? Was bleibt von einem Gespräch, von einem Erlebnis, einer Unterrichtsstunde, einem Nachmittag am See, einem Urlaubstag. Wie bleibt uns zum Beispiel eine Landschaft im Gedächtnis? 

Vielleicht nähert man sich so einer Feststellung: war die Situation angenehm oder unangenehm, sympathisch oder unsympathisch? Das ist schon mal ganz gut und ein erster Schritt zur Einordnung.

Doch ein solcher Eindruck setzt sich oft aus vielen, nur schlecht beeinflussbaren Aspekten zusammen: das Wetter ist zu warm, zu kalt, zu feucht, zu trocken; andere Menschen nerven, der Fußballverein hat verloren, der Wein war zu warm. You name it.

Sind es also Stimmungen und Situationen, die uns im Gedächtnis bleiben, ob sympathisch oder unsympathisch? Oder Bilder von Gebäuden oder Plätzen, von Menschen oder Landschaften? Oder ist es vielleicht etwas ganz anderes? Gibt es stärkere Eindrücke als etwa gesehene oder gehörte Impressionen? Empfindungen , die mit Leben und leben lassen zu tun haben?

Noch ne Frage:

Was verbinden Sie mit ihrem letzten Urlaub in Kroatien?

Die Qualität der Parkplätze - oder  vielleicht doch die Erinnerung an den leckeren Wein, an den zarten Spieß vom Grill?

Was blieb von der Reise durch Italien?

Na gut, die beeindruckenden Museen und die geschichtlichen Zeugnisse auf Schritt und Tritt, aber letztendlich vielleicht doch eher: der fruchtige Lugana, die köstlichen mellanzane al forno, das gelato al limon - oder?

Was war noch mal mit Espana?

Eben,  die Tapas, paella und der kalte Rotwein.

Und wie erinnern wir Griechenland? Kokkorezi, Tzaziki und warmer Ouzo. 

Na also. Liebe geht doch durch den Magen und über die Zunge!!

 

Wenden wir uns wieder der Eingangssituation zu: Die Rauchschwaden werden nun dichter, der Geruch intensiver. Im Hintergrund scheint das Firmament zu glühen - der Sonnenuntergang über der weiten Ebene lässt den Himmel mal wieder in scheinbar unerschöpflichen Rot-Tönen erscheinen, angereichert mit Nuancen von weiß, gelb und blau. Staunend und ehrfürchtig stehen und sitzen kleine und große Menschen auf ihren Decken und auf Bänken. 

Und dann siehst Du sie, die wilde Wurst. Nicht klein, nicht groß ist sie, eher normal etwa 15 cm lang, leicht gekrümmt, außen kräftig braun gegrillt, saftig im Inneren. Du greifst, du beißt, du schmeckst.

Du siehst die wilde Wurst auf dem Grill, du siehst die Weite, du riechst das Wasser und die Stoppelfelder, du siehst den Sonnenuntergang. 

 

Du musst in der Uckermark sein.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0